35 - Sendador 02 - In den Kordilleren
daß der Sendador in gerader Linie den Wald aufgesucht hatte, und ich kehrte zurück.
Das Feuer brannte schon, und die Gefährten hatten sich an das Braten des Fleisches gemacht. Als es dunkel geworden war, stellte ich vier Wachen aus, welche von Zeit zu Zeit abgelöst werden sollten. Eine kam nach vorn, eine je zur rechten und linken Hand und eine auch rückwärts vom Lager, da der Sendador uns umgehen und also auch von hinten kommen konnte. Die Leute erhielten die Weisung, sich hinter Büsche niederzulegen, damit sie nicht leicht gesehen werden könnten. Sie wurden nicht nahe an das Lager, sondern fast zweihundert Schritte entfernt von demselben postiert, erstens weil ein etwaiger Feind sie in solcher Entfernung von uns wohl nicht vermutete und zweitens weil, wenn sie Gefahr bemerkten und uns durch einen lauten Zuruf warnten, wir Zeit zur Verteidigung finden konnten, noch ehe der Feind diese Strecke zurückgelegt hatte. Aber es schien, als ob weder der Sendador noch irgend sonst wer kommen wolle. Ich hatte mich gleich nach dem Essen hingelegt, um jetzt, wo ein Überfall am wenigsten zu erwarten war, einige Stunden zu schlafen. Um Mitternacht sollte man mich wecken.
Als man dies tat, hatte sich noch niemand sehen lassen, und Pena sagte:
„Der Sendador wird sich hüten, sich wieder sehen zu lassen! Das haben wir von Ihrer Milde, mit welcher Sie selbst einen solchen Menschen behandeln!“
„Verlassen Sie sich darauf, daß er kommt“, antwortete ich.
„So kommt er als Feind!“
„Das ist abzuwarten. Jetzt werde ich bis Tagesanbruch wachen und den vorderen Posten übernehmen.“
Als ich mich entfernte, sah ich noch, daß Pena und Gomarra die Köpfe zusammensteckten, um sich leise zu unterhalten. Der letztere gefiel mir von Stunde zu Stunde immer weniger. Er hatte während der letzten beiden Tage fast kein Wort gesprochen, und dieses Schweigen, sein verbissenes Gesicht und die Blicke, welche sein Auge warf, wenn vom Sendador gesprochen wurde, ließen mein Vertrauen nicht wieder aufkommen. Ich befürchtete einen Zusammenstoß, sobald der Sendador zu uns kam.
Der Steuermann war es, den ich ablösen wollte. Als ich bei ihm ankam, sagte er:
„Ein miserables Ding, so auf dem Ausguck zu liegen, ohne daß sich ein Segel sehen läßt! Am liebsten wäre es mir, wenn einige Dutzend Rote kämen, damit ich einmal richtige Arbeit machen könnte. Aber unsereinem geschieht nie das, was man sich wünscht!“
„Malen Sie den Teufel nicht an die Wand! Die Nacht ist erst halb vorüber, und es kann noch genug geschehen, was uns nicht lieb ist.“
„Es wird weiter nichts geschehen, als daß ich mich nun schlafen lege. Gute Nacht!“
Er ging mißmutig fort, und ich nahm seine Stellung ein. Es war, als ob er recht behalten solle, denn es verging eine Stunde und dann noch eine, ohne daß sich ein lebendes Wesen hören oder sehen ließ. Hinter ihm flammte der müde Feuerschein zuweilen für einen kurzen Augenblick auf, und vor mir lag die dunkle Nacht, die aber nach und nach von einem helleren Schimmer überworfen wurde, denn die dünne Sichel des zunehmenden Mondes stieg am Himmel auf.
Da war es mir, als ob vor mir sich etwas rege. Ich legte das Ohr auf die Erde und hörte ein Schleifen, wie wenn jemand langsam und leise sich durch das Gras bewegt. Dann sah ich eine gebückte Gestalt, welche sich mir näherte. Die Fährte ging dicht neben dem Strauch, hinter welchem ich lag, vorüber. Daß der Mann auf dieser Spur zu uns kam, war ein gutes Zeichen; denn wäre er in feindlicher Absicht gekommen, so hätte er sich wohl gehütet, den Weg zu betreten, welchen wir kannten.
Er kam an mich heran und ging an mir vorüber. Ich blieb liegen, um erst zu sehen, ob er allein sei. Es kam niemand hinter ihm her, und so erhob ich mich, um mich ihm zu zeigen.
Ich hatte den Sendador erkannt. Wohl gegen zwanzig Schritte folgte ich ihm, ohne daß er mich hörte. Dann trat ich lauter auf. Er fuhr herum, erblickte mich, machte eine Bewegung, als ob er davoneilen wolle, blieb aber doch stehen und fragte mit unterdrückter Stimme:
„Ein Mensch hinter mir! Wer sind Sie?“
Ich trat nahe an ihn heran und antwortete:
„Sehen Sie genauer her, Señor Sabuco! Erkennen Sie mich?“
„Ja“, antwortete er jetzt. „Sie sind es! Aber wie kommen Sie hinter mich?“
„Ich stand Posten oder vielmehr ich lag Posten und ließ Sie, als ich Sie kommen sah, an mir vorüber, um zu erfahren, ob Sie allein da sind. Dann folgte ich Ihnen.“
„Wer sollte
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