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35 - Sendador 02 - In den Kordilleren

35 - Sendador 02 - In den Kordilleren

Titel: 35 - Sendador 02 - In den Kordilleren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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wollen oder nicht. Hier liegt das Gewehr, und ich –“
    Die Flinte lag da, wo ich geschlafen hatte. Ich trat hin und bückte mich nieder, um sie aufzuheben, während ich sprach. Ich konnte aber meine Rede nicht vollenden, denn Gomarra schrie wütend auf:
    „Das Gewehr soll er bekommen? Und bei den Indianern will er bleiben, die ihn beschützen werden? Soll er mir abermals entkommen? Nein! Hier, stirb, du Teufel, du!“
    Ich fuhr aus meiner gebückten Haltung auf, die Flinte in der Hand, und drehte mich um. Gomarra drang auf Sabuco ein, und zwar so blitzschnell, daß der Bedrohte nicht rasch genug ausweichen konnte. Das Messer des Wütenden fuhr ihm zwar nicht in die Brust, aber doch in den Arm. Gomarra holte von neuem aus, aber ich auch, der ich seitwärts von ihm stand. Noch ehe er zu stoßen vermochte, traf ich ihn mit dem Gewehrkolben auf den Kopf, daß er zusammenbrach.
    „Steht es so?“ donnerte der Sendador, indem er die rechte Hand auf die blutende Stelle des linken Oberarms legte. „Da fällt es mir nicht ein, zu bleiben. Aber wir sehen uns wieder, und zwar bald, ihr Lügner und wortbrüchigen Halunken!“
    Er wandte sich ab und sprang, um nicht festgehalten zu werden, in eiligem Lauf davon.
    „Señor Sabuco, bleiben Sie, bleiben Sie!“ rief ich ihm nach, aber es fiel ihm nicht ein, dieser Aufforderung Folge zu leisten.
    „Da rennt der Hund davon!“ rief Pena wütend. „Aber ich hole ihn zurück, und folgt er mir nicht gutwillig, so schieße ich ihn über den Haufen!“
    Er griff sein Gewehr vom Boden auf und rannte dem Sendador nach. Der Bruder wollte ihm folgen, um ihn zurückzuhalten; ich bat ihn aber:
    „Bleiben Sie! Die beiden sind einmal toll, Gomarra und Pena, und so mögen sie die Folgen tragen. Leider müssen wir dieselben mit erleiden. Der Sendador hat es wirklich ehrlich gemeint, um so größer muß jetzt sein Ärger sein.“
    „Hatten Sie sich von seiner Ehrlichkeit überzeugt?“ fragte Monteso.
    „Ja. Er gestand mir aufrichtig, daß Indianer in der Nähe seien und daß er das Messer von einem derselben erhalten habe. Das brauchte er nicht zu sagen. Er hätte uns in einen Hinterhalt locken können. Er ist ein Bösewicht, aber daß ihm heute eine ehrliche Stunde mit dem Messer belohnt worden ist, das tut mir leid, und das wird uns großen Schaden machen.“
    Der Bruder kniete bei Gomarra nieder, um ihn zu untersuchen.
    „Dios!“ rief er erschrocken aus. „Sie haben ihn erschlagen!“
    „Immerhin! Ich habe ihn gewarnt. Wir befinden uns im Gran Chaco, aber nicht in einem Damenboudoir. Übrigens pflegt solches Ungeziefer zähes Leben zu besitzen. Ist die Hirnschale entzwei?“
    „Nein.“
    „Nun, so wird er wohl noch leben. Ich werde, um weitere Szenen zu vermeiden, seinem Erwachen aus dem Wege gehen und einmal rekognoszieren. Stellen Sie indessen wieder Posten aus und seien Sie vorsichtig! Ich glaube zwar nicht, daß der Sendador sogleich zur Rache schreitet, aber möglich ist es doch, daß ihn die Wut und der Anblick seines Blutes dazu hinreißen.“
    Ich ging bis an den Busch, hinter dem ich vorher gelegen hatte, und dann weiter, immer der Fährte nach. Nichts war zu sehen und nichts zu hören. Ich bediente mich der größten Vorsicht, um nicht bemerkt zu werden, und hatte schließlich die zwischen unserem Feuer und dem Wald liegende Strecke über die Hälfte zurückgelegt. Weiter durfte ich mich dem letzteren nicht nähern. Ich kauerte mich nieder und strengte das Gehör an, um ein Geräusch zu vernehmen, doch vergeblich.
    Schon hatte ich vielleicht zehn Minuten so gelauscht, da hörte ich etwas. Aber das war kein Geräusch, sondern ein Geheul, als ob tausend Teufel losgelassen worden wären. Das Lager wurde überfallen. Ich fuhr auf und rannte demselben zu, indem ich die Revolver aus dem Gürtel zog; ein Gewehr hatte ich nicht mitgenommen.
    Als ich in die Nähe kam, erblickte ich eine unbeschreiblich wilde Szene. Eine Menge roter Kerls, die ich so schnell nicht einmal taxieren, noch viel weniger aber zählen konnte, lag mit meinen Gefährten im Kampf. Es waren ihrer so viele, daß immer zehn oder fünfzehn Rote an einem Weißen hingen. Die ersteren waren so schnell über die letzteren gekommen, daß diese gar keine Zeit gefunden hatten, sich ihrer Schußwaffen zu bedienen. Die meisten waren schon niedergerissen. Ich sah nur noch den Bruder und den Steuermann stehen, jeder inmitten eines ganzen Haufens von Indianern, die an ihren Körpern hingen und sich Mühe gaben, sie

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