35 - Sendador 02 - In den Kordilleren
darum haben Sie Posten aufgestellt!“
„Nicht darum allein. Ich hätte das auch in dem Fall getan, daß ich überzeugt gewesen wäre, Sie ganz allein anzutreffen. Ich pflege auch in solchen Fällen, in denen es nicht unbedingt notwendig ist, gern vorsichtig zu sein.“
„Besonders hier, wo Sie mir doch nicht ganz trauen können!“
„Ja. Sie verraten da eine sehr anerkennenswerte edle Selbsterkenntnis. Daß Sie mir den eigentlichen Grund Ihrer Aufrichtigkeit sagen, macht Ihnen bei mir keinen Schaden. Haben Sie da nicht aus angeborener Ehrlichkeit, sondern aus Klugheit so gehandelt, so darf ich erwarten, daß Sie in Zukunft in gleicher Weise klug sein und also einsehen werden, daß Hinterlist Sie nur in Schaden bringen kann. Sähe ich, daß Sie mich oder einen meiner Gefährten schädigen wollten, so würde ich Sie keinen Augenblick länger schonen. So, nun wissen wir gegenseitig, woran wir miteinander sind. Jetzt kommen Sie mit mir an das Feuer!“
Wir hatten erst leise, dann aber lauter gesprochen und waren also am Feuer gehört worden. Die drei anderen Posten hatten sich dort eingestellt, und so waren, als wir hinkamen, alle versammelt.
Was der Sendador in diesem Augenblick fühlte, ob Scham, ob etwas anderes, das war ihm jetzt nicht anzusehen. Er trat erhobenen Hauptes zu den Leuten und sagte in beinahe stolzem Ton:
„Hier bin ich. Sie sehen, daß ich Wort gehalten habe, und so erwarte ich, daß auch Sie dasselbe tun. Wir wollen uns bis nach beendigtem Geschäft in der Pampa de Salinas vertragen; dann aber kann es jeder halten, wie es ihm beliebt. Sind Sie damit einverstanden?“
„Ja!“ ertönte es ringsum.
Nur Gomarra schwieg. Sein Auge ruhte mit einem glühenden, haßerfüllten Blick auf dem Sendador, welcher fortfuhr:
„Sie haben geahnt, daß ich jetzt Indianer bei mir habe, und diese Voraussetzung hat Sie nicht getäuscht. Das sage ich Ihnen, um zu zeigen, daß ich mich nicht hilflos in Ihren Händen befinde.“
„Was für Rote sind es?“ fragte der Bruder.
„Sie werden sie sehen.“
„Sehen? Sollen wir etwa mit ihnen zusammentreffen?“
„Ja; denn sie werden mich bis zur Pampa de Salinas begleiten, damit ich dann, wenn unser jetziger Waffenstillstand abläuft, mich nicht so vielen gegenüber allein befinde.“
„Und ob wir uns die Gesellschaft dieser Leute gefallen lassen wollen, das fragen Sie nicht?“
„Nein, denn Sie brauchen sie sich nicht gefallen zu lassen. Niemand wird Sie zwingen, mit den Roten zu verkehren. Ich bleibe bei ihnen, und Sie können sich für sich halten. So gehen wir in zwei Abteilungen in die Berge, und keine braucht den anderen beschwerlich zu fallen.“
„Ah so! Sie wollen jetzt nicht bei uns bleiben?“
„Nein. Ich komme nur, um Ihnen zu zeigen, daß Sie sich auf mein Wort verlassen können, und mit Ihnen den Weg zu besprechen, welchen wir einschlagen werden. Dann gehe ich zu meinen Indianern, werde Ihnen aber mit denselben während des Zuges so nahe bleiben, daß Sie mich zu jeder Zeit sehen und auch sprechen können, natürlich unter denjenigen Vorsichtsmaßregeln, welche ich meiner Sicherheit schuldig bin!“
Gomarra hielt die Hand an den Mund und hustete. Das klang so unnatürlich, daß ich ihn noch schärfer als vorher ins Auge nahm.
„Das ist aber doch gegen die Verabredung!“ sagte Pena. „Sie haben bei uns zu bleiben, und von Indianern ist erst recht keine Rede gewesen.“
„Das ist mir gleich. Ich bleibe bei Ihnen, aber nicht so, daß Sie mich jeden beliebigen Augenblick mit der Hand fassen können. Und nun muß ich mir natürlich auch meine Waffen ausbitten.“
„Sie sollen Ihr Gewehr bekommen“, sagte ich, „falls Sie versprechen, es gegen keinen von uns zu gebrauchen.“
„Ich werde mich desselben nur gegen den bedienen, welcher mich angreift.“
„Das genügt.“
„Nein, das genügt nicht!“ schrie Pena. „Ich verlange, daß – – –“
„Schweigen Sie!“ unterbrach ihn der Bruder in sehr ernstem Ton. „Sie erhöhen und vervielfältigen nur die bereits vorhandenen Schwierigkeiten. Wenn wir den Sendador nicht mehr als Gefangenen betrachten, so haben wir auch kein Recht, ihm sein Eigentum vorzuenthalten.“
„Ich betrachte ihn aber noch als gefangen und dulde nicht, daß ein anderer so eigenmächtig wie bisher handelt und etwas ohne meine Einwilligung tut!“
„Pena“, antwortete ich ihm, „meinen Sie mich?“
„Ja, Sie!“
„So sage ich Ihnen, daß ich den Teufel nach dem frage, was Sie dulden
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