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35 - Sendador 02 - In den Kordilleren

35 - Sendador 02 - In den Kordilleren

Titel: 35 - Sendador 02 - In den Kordilleren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Unica zu melden. Sie werden eine großartige Parade sehen.“
    Er sagte das mit einem Behagen, welches seinem sonst so finsteren Gesicht einen wirklich rührenden Ausdruck gab.
    Die ersten Häuser des Dorfes bildeten eine breite Straße. Die Gebäude waren aus Holz, Lehm und Ziegeln errichtet und meist mit Schilf bedeckt. Sie hatten ein sauberes Aussehen. Es gab kein einziges, neben, vor oder hinter welchem nicht ein Gärtchen gelegen hätte. Menschen waren nicht zu sehen. Dieser Umstand erklärte sich sehr bald, als die Häuser weiter auseinandertraten und eine Art Ring oder Marktplatz bildeten. Dort war nämlich alles versammelt, was in dem Dorf lebte und webte. Es waren lauter Frauen, Mädchen und Kinder. Die Männer waren auf dem Kriegszug abwesend. Einige Greise erblickte ich, welche zu alt und schwach waren, um an demselben teilnehmen zu können.
    Alle Personen, welche da standen, wo wir vorüber kamen, verbeugten sich und sagten einen Gruß, den ich nicht verstand. Auf der Mitte des Platzes standen – zwei Bataillone Militär, Fußtruppen! Das erste Bataillon, welches auch das erste Treffen bildete, bestand aus dreißig kräftigen Indianern, welche in zwei Gliedern standen und ihre Gewehre am Fuß hatten. Der Flügelmann aber trug das Seinige umgehängt, weil er die Hände zur Bedienung der Trommel brauchte, welche an seinem Gürtel befestigt war. Sie bestand aus einem Kessel, welcher mit Fell überzogen war.
    Das zweite Bataillon war Dameninfanterie und viel stärker als das Erstere. Auch diese Amazonen standen in zwei Gliedern, die Köcher hinten, die Blasrohre in der Rechten und die Bogen in der linken niedergesunkenen Hand.
    Vor diesen beiden taktischen Körpern stand Unica mit umgehängtem Gewehr und einem Blasrohr in der Rechten. Als sie glaubte, daß wir nahe genug seien, schwang sie das Rohr, und die Trommler begannen zu wirbeln, was sie nur wirbeln konnten. Dann rief die Kommandantin ein lautes Kommandowort, auf welches die Gewehre, Blasrohre und Bogen präsentiert wurden. Dabei schrieen die Truppen ein Wort oder zwei, deren Bedeutung mir höchst unklar war. Der Alte sah es mir an und fragte mich:
    „Verstehen Sie, was sie schreien?“
    „Nein.“
    „Ich kenne die Sprachwerkzeuge meiner Roten und verstehe also die Worte. Unica hat sie ihnen einigemal vorgesagt, wie ich vermute, und zwar Ihnen zu Ehren, und nun schreit sie jeder und jede, wie es eben gelingen will. Es soll heißen: ‚Deutschland hoch!‘ Hören Sie es nun heraus?“
    Die Rotte Korah brüllte noch immer ohne Aufhören. Eine der Silben klang beinahe wie ‚hoch‘, aber wehe dem armen Deutschland; was war aus ihm geworden! Kein einziger dieser Soldaten, und keine einzige der Amazonen konnte das Wort richtig aussprechen, und je länger sie schrieen, desto mehr veränderten sie es. Der Doppellaut eu und die Vokale a und o blieben, aber die Konsonanten wurden in die so schwer auszusprechenden Gaumenlaute verwandelt. Die Zuschauer hielten es für ihre Pflicht, in die Ovation einzustimmen, und endlich heulte die ganze Menge, wobei die Schreier während der Pausen, in denen sie Atem holen mußten, so selbstgefällig fragende Blicke auf uns warfen, als ob sie sagen wollten: „Hört ihr es, wie vortrefflich wir mit eurer Sprache umzugehen verstehen!“
    Wir traten zu Unica, um ihr zu danken, und sie gab ein Zeichen, worauf das Gebrüll augenblicklich verstummte.
    „Soll ich exerzieren lassen?“ fragte sie.
    „Ja, bitte!“ antwortete ich, um sie nicht zu betrüben, denn sie freute sich gewiß darauf, uns zu zeigen, was ihre Truppen leisten konnten.
    Sie ließ rechts, links und auch ganz kehrt machen und dann marschieren. Die Truppen befleißigten sich des Gleichschritts, aber wenn der Erfinder desselben, der ‚alte Dessauer‘ jetzt neben uns gestanden hätte, so wäre er ob dieses so verschiedenen Trampelns ein wenig oder auch ganz aus der Haut gefahren. Endlich standen die Bataillone wieder in der alten Ordnung und ich lobte die prächtigen Evolutionen.
    Nun wollte uns der Alte den Graben zeigen, und wir stiegen in denselben hinab. Der natürliche Teil desselben war mit Bäumen bestanden; am künstlich ausgeworfenen standen sie bis an das Ufer heran. Wir schritten da unten weiter, wohl drei Viertelstunden lang, rund um das Dorf; bis wir an die Schleuse kamen und in das Dorf zurückkehrten.
    An dem großen Platz desselben, worauf vorhin exerziert worden war, stand ein nach den hiesigen Verhältnissen allerliebstes Häuschen, welches

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