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35 - Sendador 02 - In den Kordilleren

35 - Sendador 02 - In den Kordilleren

Titel: 35 - Sendador 02 - In den Kordilleren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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für Unica nach der Anweisung des Alten gebaut worden war. Darin residierte sie mit ihrem Hofstaat, und vor der Tür desselben war für uns gedeckt.
    Das heißt nämlich auf einem langen, roh gezimmerten Tisch standen große, tönerne Schalen mit riesigen, dampfenden Fleischmassen, und auf kleineren Schalen gab es Früchte und allerlei Gemüse, welches gar nicht übel zubereitet war. Gabeln und Löffel waren nicht vorhanden; ein Messer hatte jeder mit. Die Stühle bestanden aus Holzteilen, welche durch Lederriemen fest verbunden waren.
    Wir nahmen Platz und ließen es uns schmecken, während die sehr loyale Bevölkerung uns zusah. Dabei patrouillierte die Leibgarde gravitätisch auf und ab. Der Tambour ließ seine Künste hören, und bald gesellten sich noch andere Jünger der edlen Musika zu ihm, welche ein Konzert aufführten, bei welchem mir gewiß die Zähne locker geworden wären, wenn ich ihnen Zeit dazu gelassen hätte.
    Das Publikum wollte sehen, wie wir aßen. Es drängte sich herbei, bis nahe zum Tisch heran. Zuweilen rief die Königin irgendeinen kleinen Liebling zu sich, um ihm einen Bissen in den Mund zu schieben. Ich folgte diesem Beispiel und hatte sehr bald auf jedem Knie ein rotes Knirpslein hocken, welche beiden hoffnungsvollen Zappelmänner sich solche Fleischstücke in den Mund steckten, daß zwar nicht ihnen, destomehr aber mir vor Angst der Atem verging.
    Die Leute hatten gehört, daß ihnen ein feindlicher Überfall drohe. Europäer wären da viel zu ängstlich und voller Sorge gewesen, als daß sie es über sich gebracht hätten, hier so ruhig zuzuschauen. Die Tobas aber hielten sich so unbefangen, als ob sie von dem gegen sie geplanten Angriff gar nichts wüßten. So können nur Indianer sein.
    Der viejo Desierto hatte lange Jahre bei ihnen gewohnt, vermochte es aber doch nicht, seine Abstammung zu verleugnen. Er war voller Unruhe und konnte es kaum erwarten, bis das Essen zu Ende ging. Dann aber ließ er den Leuten wissen, daß jetzt Beratung gehalten werden sollte. Die Zuschauer zogen sich sofort zurück; die Musikinstrumente schwiegen, und es trat eine Ruhe ein, als ob das ganze Dorf ausgestorben sei.
    Eine Beratung in deutscher Sprache hatte es hier jedenfalls noch nie gegeben. Es war mir trotz der fremdartigen Umgebung so zu Mute, als ob ich mich daheim befände.
    „Sie haben nun die Inseln und das Dorf gesehen“, sagte der Alte. „Sie hofften, daß Ihnen dann ein Gedanke kommen werde. Ist er da?“
    „Ja“, nickte ich. „Es bleibt, wie ich sagte, daß die Feinde uns einzeln in die Hände laufen.“
    „Herr, Ihr Wort in allen Ehren, aber das ist unmöglich!“
    „Es ist sogar ziemlich leicht. Wenn Pena meiner Meinung ist, hoffe ich zuversichtlich, daß es gelingen wird.“
    „Ich?“ fragte der Genannte. „Natürlich bin ich Ihrer Meinung!“
    „Langsam! Sie sollen eine gefährliche Rolle dabei spielen!“
    „Das wird man gewohnt. Hierzulande ist eben alles gefährlich. Machen denn Sie selbst mit?“
    „Ja.“
    „Nun, da dürfen Sie ja nicht denken, daß ich zurückbleibe. Dabei hoffe ich aber, daß die Rolle, welche Sie mir zugedacht haben, mich nicht von Ihnen trennt.“
    „Sie bleiben an meiner Seite und teilen mein Los, mag geschehen, was da wolle.“
    „So bin ich befriedigt. Sagen Sie nur, was geschehen soll!“
    „Ja, sagen Sie es uns“, forderte mich auch der Desierto auf. „Ich bin sehr begierig, es zu hören.“
    „Nun, die Sache ist eigentlich einfach“, erklärte ich. „Sie gehen hinüber nach der großen Insel und legen sich mit Ihren dreißig Männern unter die Bäume, nahe an das Ufer; ich aber bringe Ihnen die Mbocovis hinüber, immer fünf oder sechs auf einmal, und Pena hilft mir dabei. Sie haben nichts zu tun, als sie zu empfangen und festzunehmen.“
    Der Alte starrte mich an, ob ich das im Ernst sage. Er schien gar nicht zu wissen, wie er meine Worte aufnehmen solle. Endlich rief er aus:
    „Die Mbocovis werden sich hüten, sich so auf die Insel liefern zu lassen!“
    „Warum nicht!“ sagte Pena. „Sie wissen ja noch gar nicht, wie er es anfangen will!“
    „Mag er es immer wie anfangen; sie machen nicht mit. Und warum gerade nach der Insel? Warum nicht hierher?“
    „Weil ich einen Grund haben muß, sie zu teilen“, antwortete ich, „hierher können sie zugleich kommen, alle miteinander. Wenn sie aber nach der Insel müssen und es ist nur ein einziges, kleines Boot dazu da, so müssen sie sich teilen und werden infolgedessen leichter

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