35 - Sendador 02 - In den Kordilleren
und Beine, befühlten die Stellen, an denen wir gebunden gewesen waren, und taten überhaupt so, als ob wir lange Zeit gefesselt gewesen wären. Dabei machte ich Pena in leisen Worten auf den Baum aufmerksam, auf welchem der Mann saß. Wir näherten uns demselben, ohne bemerken zu lassen, daß seine zurückgelassene Spur, auf welcher wir jetzt standen, auffallen mußte, und blieben dann stehen, indem wir dem eben hinter der Insel verschwindenden Boot nachblickten.
„Endlich, endlich!“ rief ich aus, indem ich tief Atem holte. Natürlich sprach ich so laut, daß es der auf dem Baum sitzende Yerno hören mußte. „Schon dachte ich, daß es unser Letztes sei! Ich glaubte, daß wir in das Wasser geworfen und ersäuft werden sollten.“
„Ich auch“, stimmte Pena bei.
„Daß dieser alte Halunke es nicht getan hat, ist sehr dumm von ihm! Meinst du nicht auch?“
„So wäre es also gescheiter gewesen, wenn uns jetzt die Krokodile hätten, von denen diese verteufelte Lagune wimmelt?“
„Ja, nämlich von seinem Standpunkt aus. Er wäre uns dann für immer losgewesen.“
„Ah, so meinst du es! Ja, er wird uns wohl bald wieder zu sehen bekommen!“
„Trotz seiner Drohung, die ich verlache! Hätte ich nur schnell wieder ein Messer und ein Gewehr; die erste Kugel wäre für ihn bestimmt!“
„Und ich ruhe nicht eher, als bis wir ihn samt all seinen roten Dieben weggeputzt haben! Uns auszurauben bis auf den nackten Leib und dann in diese Lumpen zu stecken! Was nun tun und anfangen? Wir können nichts schießen und nichts jagen. Wie wollen wir leben und uns bis zur nächsten Ansiedlung durchfristen? Von Wurzeln leben etwa, wie das liebe Vieh?“
„Was bleibt uns anderes übrig?“
„Der Henker hole den Kerl; wenn nicht, so holen wir ihn selbst! Aber wir müssen fort, sonst bereut er es, uns freigegeben zu haben, und kommt zurück.“
„Aber wohin?“
„Nun, irgend wohin, wo es Menschen gibt, die uns helfen können. Nach dem Rio Salado. Dort gibt es Orte genug.“
Ich blickte nachdenklich vor mir nieder und brummte in den Bart.
„Was sinnst du?“ fragte Pena. „Bist du etwa anderer Meinung?“
„Ja“, antwortete ich, wie unter einem Entschluß auffahrend. „Nach dem Salado ist's zu weit. Wir können unterwegs zehnmal verhungern und verkommen. Was denkst du? Wie wäre es mit den Chiriguanos?“
„Das ist ein guter Gedanke!“ rief Pena erfreut. „Daran hätte ich kaum gedacht! Das ist vortrefflich! Das ist das Beste, was wir tun können!“
„Nicht wahr! Wir suchen die Chiriguanos auf und fallen mit ihnen über die Schurken her. Wir holen uns alles wieder, was sie uns genommen haben, und noch mehr, viel mehr dazu!“
„Ja, viel mehr!“ rief Pena triumphierend. „Wenn dieser alte Desierto wüßte, daß wir sein Gespräch mit der Königin belauscht haben! Nun wissen wir, wo er das viele Geld versteckt hat. Das wird natürlich unser. Alles übrige lassen wir den Chiriguanos. Dieser Hund soll dabeistehen, wenn wir seinen Kasten herausholen und aufmachen, gebunden und gefesselt wie wir während dieser Tage! Die Wut soll ihn halb umbringen und das übrige werden unsere Messer besorgen!“
„Nur erst welche haben!“
„O, die bekommen wir! Die Chiriguanos werden uns gerne als Verbündete empfangen und mit Waffen versorgen. Wollen keine Zeit verlieren. Machen wir also, daß wir hier fortkommen.“
„Ja, gehen wir! Wir werden diese Lagune sehr bald wiedersehen, und zwar unter ganz anderen Verhältnissen. Der Alte hat uns zwar streng befohlen, uns nur in östlicher Richtung zu halten, und gesagt, daß er uns beobachten lassen werde, aber wir gehen dennoch erst um den See. Es fällt ihm gar nicht ein, uns Aufpasser nachzuschicken; er hat keinen einzigen Mann dazu übrig, wegen des Überfalls, der ihm droht. Freilich weiß er nicht, daß wir alles erfahren haben. Komm fort!“ Wir gingen, indem wir langsamen Schrittes und uns unter den Bäumen haltend, dem Ufer folgten. –
DRITTES KAPITEL
An der Laguna de Carapa
Während wir beide so an der Laguna hingingen, war ich überzeugt, daß der ‚Schwiegersohn‘ in die ihm gestellte Schlinge laufen werde. Pena schien weniger zuversichtlich zu sein, denn er fragte mit leiser Stimme:
„Meinen Sie, daß er uns wirklich nachkommen wird?“
„Ja.“
„Ich traue doch nicht ganz.“
„Und ich zweifle nicht im mindesten daran.“
„Aber, wenn er kommt, wie heißen wir? Oder wollen wir unsere wirklichen Namen sagen?“
„Nein. Zunächst sagen
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