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35 - Sendador 02 - In den Kordilleren

35 - Sendador 02 - In den Kordilleren

Titel: 35 - Sendador 02 - In den Kordilleren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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aber ich weiß, daß –“
    Er hielt inne, und sein Gesicht nahm einen gespannten Ausdruck an. Man erfährt sehr oft, daß, was dem einen trotz aller Mühe nicht gelingt, dem andern gleich beim ersten Versuch in die Hände läuft. So auch hier. Pena nahm das Rohr vom Auge und sagte in befriedigtem Ton:
    „Ich habe ihn! Ich halte das Ding ans Auge, blicke hinein und sehe einen Kerl, welcher im Schilf am Ufer liegt, gerade vor meinem Glas. Es war, als habe mir ein Unsichtbarer das Rohr gerade auf diese Stelle gerichtet.“
    „Wo liegt er?“
    Er beschrieb mir die Stelle, und ich fand den Mann. Die Entfernung war zu groß, als daß ich seine Züge hätte erkennen können; aber ein Weißer war es, und auch genau so gekleidet wie der Yerno.
    „Er ist's!“ rief ich erfreut aus. „Ich habe also ganz richtig vermutet. Daß er da ist und sich gerade dort befindet, das erleichtert uns unser Vorhaben außerordentlich. Kommen Sie schnell hinunter! Wir müssen hinüber zu ihm. El Desierto geht auch mit.“
    „Ich?“ fragte der Alte erstaunt. „Sind Sie des Teufels?“
    „Nein. Ich erkläre Ihnen die Sache unterwegs! Nehmen Sie zwei Stricke oder Riemen mit, um uns zu binden! Auch das Fernrohr wird mitgenommen.“
    Ich ging rasch fort und sie mußten mir folgen. Als wir an der Algarobe hinuntergeklettert waren, konnte ich ihnen sagen, was ich vorhatte. Beide stimmten mir bei. Wir gingen zum Ufer und riefen dort zwei Indianer zu uns. Pena wurde an Händen und Füßen, ich nur an den letzteren gebunden; dann legte man uns beide in das Boot. Der Alte setzte sich zu uns, und die Indianer ergriffen die Ruder. Das Boot verließ den Anlegeplatz, um nach dem Punkt gerichtet zu werden, an welchem der Schwiegersohn lag.
    Dieser hatte uns bisher nicht sehen können, da die Insel dazwischen lag; aber als wir um die Spitze derselben kamen, mußte er uns bemerken. Ich lag auf dem Bauch und legte das Fernrohr auf den Rand des Bootes, um zu beobachten, was er tun werde.
    Er sah, daß der Lauf des Fahrzeuges gerade nach der Stelle gerichtet war, an welcher er sich befand, und kroch durch das Schilf zurück. Für einige Augenblicke wurde er durch dasselbe verdeckt, und ich verlor ihn aus den Augen. Dann aber sah ich ihn wieder erscheinen. Er richtete sich am Stamm einer Carapa auf und blickte nach uns. Dann legte er die Hände um den Stamm und kletterte an demselben empor. Ich hatte genug gesehen und schob das Fernrohr zusammen, gab es dem Alten und forderte ihn auf:
    „Binden Sie mir nun auch die Hände! Der Coup wird gelingen. Er sitzt auf einem Baum.“
    „Das ist ja tollkühn von ihm! Wenn wir ihn nun sehen!“
    „Der Wipfel des Baumes ist dicht genug, ihn zu verbergen. Er wird hören wollen, was gesprochen wird.“
    „Aber er könnte sich doch auch sagen, daß wir ihn gesehen haben und ihn nun fangen wollen!“
    „Das ist seiner Ansicht nach unmöglich. Mit dem bloßen Auge konnte man ihn nicht sehen, und daß Sie ein Fernrohr haben, weiß er nicht. Daß er nicht flieht, sondern sich auf dem Baum verbirgt, ist ein Beweis, daß er sich sicher fühlt. Das Boot kommt ihm wichtig genug vor, um es ihn wagen zu lassen, zu bleiben, um erfahren zu können, was es will. Bis jetzt hat er uns zwei nicht sehen können. Nun aber wird er uns bald bemerken.“
    Wir näherten uns schnell dem Ufer und stießen an einer Stelle an, welche von seinem Versteck etwa zwanzig Schritte entfernt war. Er mußte also hören, was gesprochen wurde. Wir hatten es vermieden, dort anzulegen, wo er gelagert hatte. Seine Spur hätte uns auffallen müssen – was er freilich auch nicht berechnet hatte, der Unvorsichtige! – und dadurch wäre unsere unbefangene Handlung gestört worden.
    Einer der Roten sprang an das Ufer und band den Kahn am Schilf fest. Dann wurden wir beide einer nach dem andern ziemlich unsanft herausgewälzt. Der Alte knotete mir die Handfesseln auf und sagte laut:
    „So, jetzt könnt ihr euch selbst vollends losbinden. Macht euch dann aber schnell von dannen, und wagt es niemals wieder, euch auf dem Gebiet der Tobas sehen zu lassen! Erwischen wir euch wieder, so kommt ihr nicht mit dem Leben davon, wie jetzt. Fort mit euch, ihr Halunken!“
    Er gab mir mit dem Ruder einen tüchtigen Hieb; der Rote band das Boot wieder los, sprang hinein, und dann ruderten sie zurück. Ich ballte beide Fäuste und drohte ihnen nach. Dann band ich mir den Riemen von den Füßen und löste auch die Fesseln meines Kameraden. Wir standen auf, reckten die Arme

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