35 - Sendador 02 - In den Kordilleren
wir ihm gar keinen Namen. Nach dem, was er von uns gehört hat, wird er es ganz erklärlich finden, wenn wir vorsichtig sind. Ob Sie dann den Ihrigen sagen, kommt darauf an, ob sich unter den Mbocovis einer befindet, der Sie und also auch ihn von früher kennt. Horchen Sie! Er kommt hinter uns her! Sehen Sie sich ja nicht um!“
„Ich höre nichts.“
„Aber ich höre ihn. Gehen wir etwas rascher. Das wird seinen Eifer erhöhen.“ Wir schritten schneller aus, und der Erfolg zeigte sich sogleich, denn hinter uns ertönte eine Stimme:
„Alto ahí – halt!“
Der Ruf war mit unterdrückter Stimme ausgesprochen worden. Wir taten, als ob wir ihn nicht vernommen hätten, und gingen weiter. Da rief der Mann nun in lauterem Ton:
„Parar, Señores – halten Sie doch an! Ich habe mit Ihnen zu sprechen, und Sie laufen, daß ich Ihnen kaum folgen kann!“
Wir fuhren schnell nach ihm herum und machten möglichst erschrockene Gesichter. Ja, der sogenannte Schwiegersohn, der Yerno, war es wirklich. Natürlich zeigten wir ihm Gesichter, denen es nicht anzusehen war, daß wir ihn kannten. „Wer sind Sie? Was wollen Sie von uns?“ fragte ich in einem Ton, aus welchem er entnehmen mußte, daß ich nicht erwartet hatte, hier jemandem zu begegnen und gar angesprochen zu werden.
„Das werden Sie gleich erfahren“, antwortete er. „Sagen Sie mir zunächst, wer und was Sie sind!“
„Welches Recht besitzen Sie, uns danach zu fragen?“
„Ein Recht nicht, sondern nur eine Veranlassung.“
„Welche denn?“
Er betrachtete uns mit forschendem Blick, und wir machten ihm Augen, welche möglichst mißtrauisch waren.
„Sehen Sie mich nicht so argwöhnisch an! Ich meine es gut mit Ihnen“, beteuerte er.
„Das kann jeder sagen; wir aber haben keine Lust, Bekanntschaften zu schließen. Sie gehören doch zu den Schuften, denen wir soeben erst entronnen sind!“
„O nein! Meinen Sie etwa, ich sei ein Freund des alten Desierto? Gerade das Gegenteil ist der Fall: Ich bin hier, weil ich nicht zu seinen Freunden zähle.“
„Pah! Das machen Sie uns nicht weis. Bleiben Sie uns vom Leib! Komm', Kamerad! Ich habe keine Lust, wieder in eine Falle zu laufen!“
Bei diesen Worten nahm ich Pena beim Arm und zog ihn mit mir fort. Der Yerno folgte uns, hielt mich zurück und sagte:
„Aber, Mann, so hören Sie doch! Ich befinde mich ganz allein hier. Welche Falle könnte ich Ihnen stellen? Ich versichere Ihnen, daß ich es sehr gut mit Ihnen meine!“
„So! Das ist schön von Ihnen; aber wir wollen von Ihrer Güte leider nichts wissen.“
„Warum? Sehe ich denn wie ein Mensch aus, vor dem man sich zu fürchten hat?“
„Das nicht. Und selbst wenn es der Fall wäre, so sind wir nicht die Leute, welche sich fürchten, sobald es zwei gegen nur einen geht. Aber Sie fragen uns nach unseren Namen und sagen doch nicht, wer Sie sind.“
„Nun, das können Sie sogleich erfahren. Ich heiße – heiße Diego Arbolo.“ Er hatte gezögert, diesen Namen auszusprechen, und sich dabei suchend umgesehen. Dabei war sein Blick auf einen Baum gefallen, in dessen Nähe wir standen, und erst dann hatte er den Namen Arbolo genannt, welches Wort auf Deutsch Baum bedeutet. Es war also klar, daß ihm nicht gleich ein Name eingefallen war, und daß derjenige, welchen er nannte, nicht der seinige war. Er wollte uns aus naheliegenden Gründen nicht wissen lassen, wie er eigentlich heiße.
„Arbolo, so!“ antwortete ich. „Und was sind Sie?“
„Cascarillero.“
„Ah, dachte es mir! Also doch ein Kollege des alten Einsiedlers!“
„Aber kein Freund, sondern ein Konkurrent von ihm! Es wird ihm wohl keiner so viel Böses wünschen wie ich!“
„Was das betrifft, so möchte ich es sehr bestreiten. Wenigstens haben wir beide sehr genügende Veranlassung, ihm alles, aber nur nichts Gutes zu gönnen.“
„So sind wir also Gesinnungsgenossen!“
„Möglich, daß wir gleiche Gesinnung haben, aber Genossen sind wir nicht. Wir beabsichtigen nicht, hier an diesem Ort Bekanntschaften zu machen. Wir haben das einmal im Gran Chaco getan, aber nicht wieder. Ein solches Lehrgeld zahlen wir nicht zum zweiten Mal. Gehen Sie also, wohin Sie wollen, und lassen Sie auch uns tun, was uns beliebt!“
Ich tat wieder, als ob ich fort wollte; er aber hielt mich energisch fest und sagte in ungeduldigem Ton:
„So nehmen Sie doch Verstand an, Señor! Ich gebe Ihnen mein heiliges Wort, daß ich ein Feind des Desierto und seiner Indianer bin. Ich bin Ihnen
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