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36 - Das Vermächtnis des Inka

36 - Das Vermächtnis des Inka

Titel: 36 - Das Vermächtnis des Inka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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unter den Anwesenden den höchsten militärischen Rang bekleide.“
    „Ich wußte, daß dies Ihre Ansicht ist, und habe bis jetzt geschwiegen. Nun es aber morgen zum Kampf kommt, muß ich Sie aufklären. Ich bitte Sie, zu lesen!“
    Er zog eine kleine Blechkapsel aus der Tasche, öffnete sie, nahm ein zusammengefaltetes Papier aus derselben, schlug es auseinander und gab es dem Kapitän. Dieser las es beim Schein des Feuers, an welchem er saß, wurde bleich im Gesicht und gab es ihm wieder zurück.
    „Nun“, fragte der Gambusino, „wer ist der Kommandierende?“
    „Ich habe mich überzeugt, daß ich Ihnen zu gehorchen habe.“
    „Nicht nur Sie allein, sondern auch alle Ihre Untergebenen. Sagen Sie es ihnen! Nachdem Sie mich anerkannt haben, werde ich von meiner Autorität den ersten Gebrauch machen, indem ich Sie für einstweilen Ihrer Verpflichtungen enthebe. Sie begleiten uns weiter, werden sich aber, bis ich etwas anderes befehle, in allem vollständig passiv verhalten.“
    „Señor!“ fuhr der Kapitän auf. „Von wem ist Ihnen ein solches Verhalten vorgeschrieben?“
    „Ich bin Ihnen keine Rechenschaft schuldig. Sie haben zu gehorchen. Tun Sie das nicht, so wissen Sie, was geschieht. Wir befinden uns auf dem Kriegsfuß!“
    „Schön, Señor! Ich werde kein Wort verlieren, sondern gehorchen“, rief der Kapitän, indem er aufstand und, kaum imstande, seinen Zorn zu beherrschen, das Feuer verließ.
    Er schritt ein Stück in die Nacht hinein und überlegte. Woher so plötzlich dieses Verhalten des Gambusino? Hatte es einen allgemeinen oder heute einen besonderen Grund? So fragte er sich, ohne daß er imstande war, sich eine Antwort zu erteilen. Als er später zurückkehrte, war das Feuer erloschen. Dennoch bemerkte er, daß der Gambusino und der Stierkämpfer sich nicht an ihren Plätzen befanden. Er legte sich neben seinem Korporal nieder und fragte diesen, als er bemerkte, daß er noch nicht eingeschlafen war, leise:
    „Wo ist der neue Oberst oder gar General?“
    „Er ging nach dem Sumpf und wird dort mit Perillo sitzen, um ungestört Pläne machen zu können.“
    „Was geschah, als ich fort war?“
    „Nichts weiter, als daß er auch uns seine Vollmacht zeigte.“
    „Sie ist echt?“
    „Ja, sie ist vom Vizepräsidenten der Konföderation unterschrieben und besiegelt. Wir müssen ihm gehorchen.“
    „Und ich habe euch nichts mehr zu befehlen?“
    „Señor Kapitän, ich sagte, daß wir gehorchen, müssen. Wir sind Soldaten, und der Ungehorsam würde uns den Kopf kosten.“
    „Das ist Treue! Wer hätte gedacht, daß es so komme!“
    Er hüllte sich in seine Decke und versuchte zu schlafen. Er hatte ganz vergessen, daß er jetzt selbst Empörer, Aufrührer war und also gar kein Recht besaß, auf seinen Untergebenen zornig zu sein. Er hatte hier eine Rolle spielen wollen, um später schnell zu avancieren, und war nun so plötzlich kaltgestellt worden. Das ließ ihn nicht ruhen. Er dachte an den Gambusino und an Perillo. Diese beiden hatten jedenfalls etwas gegen ihn vor. Ob es möglich war, dies zu erfahren? Warum nicht? Vielleicht zeigte sich der Zufall günstig. Er hob den Kopf, um zu lauschen. Alle schliefen; auch sein Nachbar, der Korporal, war jetzt eingeschlafen. Er wickelte sich aus der Decke und kroch fort, langsam und unhörbar, nach dem Sumpf hin. Es dauerte lange, ehe er die Bäume des Ufers im Mondenschein stehen sah. Er erreichte sie, ohne die Gesuchten zu bemerken, und kroch auf gut Glück weiter, am Rand hin, immer möglichst im Schutz der Sträucher und des Schilfes. Nach einiger Zeit hörte er leise Stimmen. Noch einige Ellen weiter, und er sah sie sitzen, eng nebeneinander, auf einem trockenen Grasplätzchen. Ein Wisch hohen Schilfes erhob sich ganz in ihrer Nähe. Er wagte es, hinzukriechen und sich dort auf den Boden niederzustrecken. Wenn die beiden zufällig aufstanden, mußten sie ihn sehen. Sie sprachen leise, aber doch so, daß er sie, wenn er scharf aufmerkte, wohl verstehen konnte. Eben sagte der Gambusino: „Es ist mir immer, als ob ich es nicht glauben solle. Die Lassos waren zwar abgerissen, aber so ein fünfzehnfach zusammengeflochtener Riemen hält doch viel, sehr viel aus. Ein Krokodil kann dem, den es packt, das Bein abbeißen; aber einen Lasso zu zerreißen, das erscheint mir als unmöglich.“
    „Ich nehme es, wie es gekommen ist, und mache mir keine Gedanken darüber“, antwortete Perillo. „Wer könnte die beiden befreit haben? Der es getan hat, müßte ein

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