36 - Das Vermächtnis des Inka
alte bin. Meine Knochen sind weich und meine Gelenke steif geworden. Nein, es fällt mir nicht ein, wieder zum alten Metier zu greifen.“
„Was aber wolltest du sonst anfangen? Etwa mit mir auf Abenteuer gehen?“
„Damit man eines schönen Tages mein Gerippe in den Kordilleren findet? Nein, ich weiß etwas anderes, etwas viel, viel Besseres.“
„Was?“
Der Gefragte zögerte eine ganze Weile; dann antwortete er in geheimnisvollem Ton: „Ich habe zu keinem Menschen davon gesprochen, und es sollte nie jemand davon erfahren; da die gegenwärtigen Verhältnisse aber so stehen, sollst du es hören. Auch ganz abgesehen von dem Vater Jaguar, kommt es jedenfalls zum Kampf mit den Cambas, und keiner von uns weiß, ob er aus demselben entkommen wird. Ich kann verwundet und sogar getötet werden. In diesem Falle wäre es jammerschade, wenn mein Geheimnis mit mir sterben sollte. Du bist mein bester Kamerad, und so will ich es dir mitteilen.“
„Du machst mich im höchsten Grad neugierig. Der feierliche Ton, in welchem du sprichst, läßt erraten, daß es sich um etwas ganz Ungewöhnliches handelt.“
„Dies ist es auch! Ich spreche von Reichtümern, von einem Schatz, welcher ungeheuer groß zu sein scheint.“
„Von einem Schatz? Höre, fast möchte ich denken, daß du im Traum redest!“
„Ich träume nicht, sondern was ich dir sage, ist die volle, reine Wirklichkeit. Ich kann es dir durch einen Gegenstand beweisen, welchen du sehr genau kennst.“
„Welcher ist das?“
„Der lange weiße Haarschopf, den du bei mir gesehen hast.“
„Ach, der Skalp des Indianers, welcher dich überfallen wollte, aber von dir getötet wurde?“
„Derselbe. Doch ist die Geschichte anders, als ich sie bisher erzählte. Dir kann ich die Wahrheit sagen, da du schon oft Ähnliches getan hast. Nämlich nicht ich wurde von dem Indianer überfallen, sondern er von mir.“
„Demonio! Ist die Sache so! Da will ich dir denn aufrichtig sagen, daß ich deine Erzählung nicht etwa geglaubt habe. Du hattest damals gar nichts bei dir, was die Habsucht eines Indianers anlocken konnte. Ich dachte mir immer, daß die Begebenheit sich anders, als du sie erzähltest, abgespielt habe. Also du hast ihn überfallen, und sein Haar steht im Zusammenhang mit dem Schatz, von welchem du sprichst? Soll ich etwa annehmen, daß jener Indianer der Besitzer dieses Schatzes gewesen ist?“
„Ja.“
„Que diablos! Erklär dich deutlicher! Du kannst ihm den Schatz unmöglich abgenommen haben, da du nicht reich bist. Warum hast du es nicht getan?“
„Weil er ihn nicht bei sich hatte. Es waren nur einige Gegenstände, welche zu dem Schatz gehörten, die ich bei ihm fand.“
„Hat er dir denn gesagt, wo sich das übrige befindet?“
„Nein.“
„So weißt du also gar nicht, wo dieser dein berühmter Schatz zu suchen ist?“
„Ja und nein, ich weiß es und weiß es doch auch nicht.“
„Sprich nicht in Rätseln!“
„Ich meine, daß ich zwar die Gegend kenne, aber die betreffende Stelle nicht.“
„So brauchst du dir auf den Schatz ganz und gar nichts einzubilden. Was nützt mir ein Schatz, den ich nicht finden kann? Vielleicht existiert er gar nur in deiner Phantasie.“
„Er existiert in Wirklichkeit; ich kann es beschwören.“
„Wo denn?“
„Droben in den Bergen, und zwar jedenfalls in einer Schlucht, welche man die Barranca del Homicidio nennt.“
„Die kenne ich genau. Es geht von ihr die Sage, daß dort die letzten Inkas ermordet worden sind.“
„So ist es. Und ich nehme an, daß diese Inkas vor ihrem gewaltsamen Ende ihre Schätze dort versteckt haben.“
„Hm! Ich habe oft gehört, wie reich die Inkas gewesen sind. Alles, was die Herrscher berührten, hat von reinem Gold sein müssen. Die Spanier sollen damals ganze Schiffsladungen von Gold und Silber heimgeschafft haben. Doch, was hilft das unnütze Reden! Erzähle!“
„Schwöre mir vorher, daß du keinem anderen ein Wort davon sprechen willst!“
„Von solchen Sachen spricht man nicht; aber wenn ich dich damit beruhigen kann, so soll es mir auf einen Schwur nicht ankommen. Also ich schwöre, gegen jedermann über diese Angelegenheit zu schweigen!“
„So sollst du alles hören. Ich kam damals von Chile herüber, wo ich bei mehreren Stiergefechten mitgewirkt und mir einige Prämien erworben hatte; aber wie gewonnen, so zerronnen; du weißt ja, wie ich bin. Ich aß gut, trank noch besser, spielte viel und hatte kein Glück; ich verlor alles, und als ich
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