36 - Das Vermächtnis des Inka
getan.“
„Sie werden dich natürlich nicht fortlassen, sondern dich festnehmen!“
„Pah! Man nimmt mich nicht so leicht gefangen! In diesem Fall würde ich den Gambusino und Antonio Perillo augenblicklich niederschießen, und diese Schüsse werden für euch das Zeichen sein, loszubrechen.“
„Und dabei stehst du mitten unter ihnen! Nein, es ist zu kühn, zu verwegen!“
„Nicht nur zu kühn und zu verwegen, sondern noch etwas Schlimmeres“, fiel Leutnant Verano ein. „Ich habe dem Señor Jaguar meine Meinung bereits gesagt, bin aber von ihm zurückgewiesen worden. Wozu diese Kerls schonen, noch dazu, wenn sich einer von uns in die offenbarste Lebensgefahr begeben muß! Das sind sie alle nicht wert. Schießt sie nieder, wie sie kommen, und laßt keinen von ihnen am Leben! Das sind sie wert, Schonung aber nicht. Ich halte es, wenn nicht für eine Dummheit, so doch für eine große Unklugheit, sie als Menschen zu behandeln. Die Aripones sind wilde Tiere, und die Weißen, welche sich bei ihnen befinden, sind Schufte; und gegen Schufte und reißende Tiere darf man keine Nachsicht haben, sonst sticht und schneidet man sich in das eigene Fleisch. Was mich betrifft, so werde ich schießen, sobald die Kerls kommen.“
„Nein, sondern das werden Sie bleibenlassen, weil ich es Ihnen verboten habe und jetzt wieder verbiete“, antwortete der Vater Jaguar in strengem Ton. „Sie haben meine Meinung bereits gehört. Ich hoffe, daß es mir glückt, die beiden bisher feindlichen roten Stämme miteinander zu versöhnen; außerdem möchte ich den Gambusino und Antonio Perillo lebendig fangen, würde aber sehr wahrscheinlich beides nicht erreichen, wenn geschossen wird, bevor ich es befohlen habe.“
„Und wenn ich dennoch schieße?“
Hammer zog die Brauen finster zusammen und antwortete: „So kommt das dann fließende Blut über Sie, und ich habe Ihnen bereits gesagt, daß es mir in diesem Fall gar nicht darauf ankommt, Ihnen eine Kugel in den Kopf zu geben.“
„Das heißt, mich zu ermorden?“
„Nein, sondern zu bestrafen. Handeln Sie gegen meinen Willen, so sind Sie ein Mörder, und ich brauche mir kein Gewissen daraus zu machen, Sie niederzustrecken. Übrigens braucht es ja gar nicht so weit zu kommen; es gibt noch andere Mittel, meinem Willen Geltung zu verschaffen.“
„Welche?“
„Ich lasse Sie einfach binden und so weit fortschaffen, daß Sie weder durch Schüsse noch durch voreilige Rufe uns zu schaden vermögen.“
„Das werden Sie wohl unterlassen, Señor, denn ich bin Offizier!“
„Hier nicht! Wir haben Ihnen das Leben gerettet. Sie sind ein Mensch, der uns Dankbarkeit schuldet; weiter können Sie für uns nichts sein. Und wenn Sie in der bisherigen Weise fortfahren, mich vermuten zu lassen, daß Sie meinen Plan in Frage stellen werden, so zwingen Sie mich, das zu tun, was ich Ihnen angedroht habe.“
„Dann schweige ich, Señor. Ich habe keine Lust, mich wie einen Verbrecher binden und forttransportieren zu lassen.“
Bei diesen Worten wandte er sich ab und schritt unmutig von dannen. Als er außer Hörweite gekommen war, ballte er die Faust und murmelte zornig vor sich hin: „Einem solchen Menschen gehorchen zu müssen! Alle die Kerls vergöttern ihn, und er gebärdet sich mir gegenüber wie ein General, der einen Rekruten vor sich hat. Die Indianer schonen zu wollen, welch ein Blödsinn! Aber ich werde dennoch tun, was ich will. Niedergeschossen müssen sie werden. Ist's vorüber, dann können sie es nicht ändern, diese menschenfreundlichen Schwachköpfe. Also der erste Schuß soll das erste Zeichen zum Beginn des Kampfes sein. Dieser erste Schuß wird aus meinem Gewehr kommen.“
Der Vater Jaguar erläuterte nun seinen Plan in eingehender Weise und ging, als er damit fertig war und ein jeder nun wußte, was er zu tun hatte, zu dem Baum, unter welchem Doktor Morgenstern und Fritze noch immer saßen. Sie hatten es vorgezogen, entfernt zu bleiben, um nicht nach ihrem Abenteuer gefragt zu werden.
„Es ist die Zeit gekommen, unsere Stellungen einzunehmen“, sagte er zu dem kleinen Gelehrten. „Ich werde Ihnen die Ihrige anweisen.“
„Dat ist schön!“ antwortete Fritze an Stelle seines Herrn. „Und wissen Sie, wohin wir so jern postiert sein wollen?“
„Nun?“
„Dorthin, wo es am jefährlichsten ist.“
„Warum? Woher diese plötzliche Kühnheit?“
„Plötzlich? Jott bewahre. Ick bin niemals plötzlich kühn, sondern ick bin stets tapfer. Und heut wollen wir die
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