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36 - Das Vermächtnis des Inka

36 - Das Vermächtnis des Inka

Titel: 36 - Das Vermächtnis des Inka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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um zuzusehen, in welcher Weise dies geschah.
    Der Anblick, welcher sich ihnen bot, war ein höchst widerwärtiger. Die Kühe ahnten, was ihnen bevorstand, und brüllten vor Angst. Sie wurden, um ihr Blut zu erhitzen, weil nach der Meinung der Gauchos das Fleisch dann besser schmeckt, eine Zeit lang im Korral umher gehetzt und dann ganz in der oben beschriebenen Weise, als ob sie gezeichnet werden sollten, mit Hilfe der Lassos niedergerissen. Nachdem ihnen einfach die Gurgel durchschnitten worden war, warfen sich die rohen Menschen auf die noch lebenden und vor Schmerz sich bäumenden und mit den Beinen um sich arbeitenden Tiere und schnitten ihnen ganze, lange Stücke rauchenden und zuckenden Fleisches mitsamt der Haut aus den Leibern. Das Todesröcheln, welches sich aus den offenen Gurgeln drängte, war, verbunden mit den gierigen Zurufen der Gauchos, für ein zivilisiertes Ohr nicht anzuhören. Morgenstern ging mit Fritz davon. Der Chirurg aber blieb und zog sein Messer, um sich auch eine Portion zu nehmen. Das unmenschliche Schauspiel war ihm etwas Gewohntes.
    Der Gaucho spießt dieses Fleisch an Hölzer oder gleich an sein Messer und hält es über das Feuer, um die angebratene Seite in den Mund zu stecken, den Bissen unter der Nase abzuschneiden und es dann weiter zu braten. Asado nennt er dieses noch im Blut geröstete Fleisch. Sitzt aber gar noch die Haut (cuero) daran, so bildet der Braten seine allergrößte Delikatesse und wird Asado con cuero, Asado mit der Haut genannt.
    Bald brannten die Feuer, an denen die Gauchos und anderen Bediensteten saßen, um ihr Lieblingsgericht zu verzehren. Um die beiden Deutschen kümmerten sie sich nicht, ganz so, wie der Chirurg gesagt hatte. Dieser aber leistete ihnen bei ihrem Mahl und bei ihrer Unterhaltung Gesellschaft, obgleich sie ihn nicht etwa mit großer Hochachtung behandelten. Seine Versessenheit auf die Chirurgie hinderte ihn, zu bemerken, daß sie mehr ironisch als ernsthaft mit ihm verkehrten.
    Doktor Morgenstern wäre ganz verlassen gewesen, wenn der Majordomus es nicht für seine Pflicht gehalten hätte, sich seiner anzunehmen. Er widmete ihm einige freie Viertelstunden und sorgte dafür, daß es nicht an Speise und Trank gebrach.
    So verging der Tag, und der Abend kam, mit ihm der Estanciero, der sich sofort bereit erklärte, fünf Pferde zu dem landläufigen Preis zu verkaufen. Er war erfreut, Europäer bei sich zu finden, von denen wenigstens der eine so kurze Zeit im Lande weilte, daß er über die jüngsten Ereignisse von drüben zu berichten vermochte. Die Gauchos saßen draußen bei ihren Feuern, aßen immer noch oder wenigstens schon wieder, denn so ein Mensch vermag ungeheure Mengen Fleisch zu verzehren, und füllten die Pausen mit kräftigen Scherzen, leidenschaftlichen Erzählungen und patriotischen Liedern, welche sie mit ihren Gitarren begleiteten. Es gibt selten einen Gaucho, der nicht eine Gitarre besitzt.
    Der Estanciero hatte bei seiner Ankunft von ihnen erfahren, was im Korral geschehen war, und schon da den Kopf dazu geschüttelt, daß ein Mensch es wagen könne, mit einem Bullen anzubinden, um sich zu überzeugen, ob derselbe zur roten Farbe gleichgültig sei oder nicht. Nun erkannte er im Laufe der Unterhaltung mehr und mehr, daß Morgenstern ein Original und zugleich ein seelensguter Mensch sei, der nur an sein besonderes Fach denke, von dem gewöhnlichen Leben und dessen Anforderungen wenig oder gar nichts verstehe und überall eher hinpasse als in die Pampas oder gar in den Gran Chaco, wo der Reisende während des Tages und der Nacht von vielseitigen Gefahren umgeben ist. Darum sagte er endlich, nachdem alle seine teilnehmenden Fragen beantwortet waren: „Aber, liebster Señor, meinen Sie denn wirklich, daß Sie Ihre Zwecke erreichen, ohne in der Wildnis umzukommen? Sie haben keine Ahnung dessen, was Sie im Gran Chaco und in den Kordilleren erwartet.“
    „Was das betrifft, wo weiß ich sehr wohl, woran ich bin“, antwortete der Gelehrte. „Ich habe ja das Buch Excursion au Rio Salado et dans le Chaco, par Amédée Jacques gelesen.“
    „Ich kenne dieses Buch nicht und brauche es nicht zu kennen, denn ich weiß, daß das Lesen eines Buches einen Menschen, selbst den gelehrtesten, noch lange nicht befähigt, die Entbehrungen und Gefahren zu bestehen, welche Ihrer warten. Oder meinen Sie, daß Sie sich auf diesen sogenannten Don Parmesan verlassen können?“
    „Warum nicht? Er ist doch ein gelehrter Mann.“
    „Ein Narr ist er,

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