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36 - Das Vermächtnis des Inka

36 - Das Vermächtnis des Inka

Titel: 36 - Das Vermächtnis des Inka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Reiter heran, um die Aufmerksamkeit des Angreifers von dem Deutschen ab und auf sich zu lenken.
    Morgenstern wich abermals glücklich aus, doch ging die ihn bedrohende Hornspitze nicht weiter als drei Zoll an ihm vorüber. Erst jetzt blitzte in ihm die Einsicht auf, daß er sich in eine große Gefahr begeben habe, und die Sorge um sein Leben gab ihm einen ebenso plötzlichen wie eigenartigen Gedanken ein. Er konnte sich nur retten, wenn es ihm gelang, den gefährlichen Hörnern auszuweichen; der Ochse hatte die Hörner vorn, und so war also nur hinter ihm Sicherheit zu finden. Dieser Gedanke wurde von dem kleinen Männchen ebenso schnell ausgeführt, wie er gekommen war: Morgenstern sprang hinter dem Ochsen drein. Dieser wendete sich wieder um und sah seinen Gegner nicht mehr stehen, wo er gestanden hatte, bemerkte ihn aber hinter sich. Sich abermals umdrehend, suchte er ihn zu erreichen; aber der Gelehrte war behend und machte die Schwenkung mit, um hinter dem Feind zu bleiben. Dies wiederholte sich mehrere Male, und zwar so schnell, daß die Gauchos ihre Bolas und Lassos nicht anwenden konnten, ohne den Deutschen zu gefährden. Aber diese Schnelligkeit verschlimmerte seine Lage; er fühlte, daß er derselben nicht gewachsen sei und bald ermüden werde. Gab es denn gar keine Rettung, keinen Halt? Gewiß gab es einen Halt, ganz nahe da vor ihm! Er griff mit beiden Händen zu und hielt sich an dem Schwanz des Ochsen fest. Solange er da hängenblieb, konnten ihn die Hörner nicht erreichen.
    Als der Stier sich da ergriffen fühlte, wo ihn noch niemals eine solche Realinjurie getroffen hatte, blieb er zunächst einige Sekunden lang in sprachlosem Erstaunen stehen; dann sprang er mit beiden Hinterbeinen zur Zeit, um das Anhängsel abzuschleudern, was ihm aber nicht gelang, da Morgenstern auf Tod und Leben festhielt. Hierdurch an allen seinen Einsichten, Kenntnissen und Erfahrungen erst recht irre geworden, hielt der verblüffte Bulle es für das klügste, die Partie vollständig aufzugeben, selbst wenn der Schwanz dabei verlorengehen sollte. Er ließ ein klägliches Brüllen hören und rannte spornstreichs seiner Herde zu.
    Hatten die Gauchos erst gebrüllt, was die Lungen nur hergaben, um das Tier von dem Gelehrten abzuhalten, so lachten sie jetzt ebensosehr über den Anblick, der sich ihnen bot. Der Stier schien vor Entsetzen ganz außer sich zu sein; er machte die tollsten, bockbeinigsten Sprünge, bald nach rechts und bald nach links den Hinterkörper werfend. Man hörte seinem Gebrüll die Angst, welche er empfand, ganz deutlich an. In dieser Weise hatte noch kein Gaucho einen Ochsen brüllen hören. Morgenstern hielt fest. Er konnte nicht so schnell laufen wie sein Vordermann, verlor infolgedessen die Erde unter den Füßen und wurde fortgeschleift, bis seine Kräfte nachließen und er den Schwanz losließ, was einen Purzelbaum zur Folge hatte, wie er ihn so ungeheuer wohl noch nie im Leben geschlagen hatte.
    Da erreichte das Gelächter der Gauchos eine Stärke, daß man hätte meinen mögen, es sei eine ganze Armee in Lachkrampf gefallen, wodurch die Angst des Bullen derart vergrößert wurde, daß er wie ein Pfeil zwischen seinesgleichen hinein- und hindurchfuhr, bis er die hinterste Ecke erreichte, wo er schnaubend stehenblieb und da jedenfalls das stille Gelübde tat, niemals wieder mit einem Zoologen aus Jüterbogk anzubinden.
    Morgenstern war ganz ohne alle Verletzung davongekommen. Er erhob sich vom Boden, befühlte einige seiner Gliedmaßen und kehrte dann langsam dahin zurück, wo er gestanden hatte. Die Gauchos kamen, noch immer lachend, herbei, um ihm zu gratulieren. Derjenige aber von ihnen, der die Reisenden bei ihrer Ankunft angeredet und nach dem Wohnhaus geführt hatte – er mochte wohl der Oberpeon sein –, sagte sehr ernst: „Sie sind im höchsten Grad unvorsichtig gewesen, Señores, und scheinen selbst jetzt noch nicht zu wissen, daß Sie Ihr Leben auf das Spiel gesetzt haben. Wie kommen Sie, und zwar beide, denn eigentlich dazu, sich in dieser Weise an die Rinder zu wagen?“
    „Infolge eines zoopsychologischen Problems“, antwortete Morgenstern.
    „Diese Worte verstehe ich nicht.“
    „Ich wollte erfahren, ob die rote Farbe wirklich imstande ist, diese Familie der Wiederkäuer so in Zorn zu bringen.“
    „Ah! Und deshalb wagten Sie Ihr Leben? Das konnten Sie billiger haben. Hätten Sie uns gefragt, so wären wir gern bereit gewesen, Ihnen alle Auskunft zu erteilen.“
    „Sind Sie

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