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36 - Das Vermächtnis des Inka

36 - Das Vermächtnis des Inka

Titel: 36 - Das Vermächtnis des Inka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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weiter nichts!“
    „Aber doch ein bedeutender Chirurg?“
    „Fällt ihm nicht ein. Die Chirurgie ist sein fixer Gedanke. Dieser Señor hat noch keinem Menschen ein Haar oder einen Fingernagel gekürzt, obgleich er einen Sack voll chirurgischer Instrumente im Land herumschleppt.“
    „Also nur eine fixe Idee? Sollte man so etwas denken!“
    „Warum nicht. Es gibt viele Menschen, welche an einer solchen Monomanie laborieren, ohne, wie es scheint, eine Ahnung davon zu haben, daß sie krank sind. Ich habe da zum Beispiel einen kennengelernt, der sich mit der fixen Idee herumträgt, nach Knochen von Tieren zu suchen, welche vor Tausenden von Jahren gelebt haben. Hätte Noah geglaubt, daß diese Kreaturen etwas wert seien, so hätte er sie ganz gewiß mit in seine Arche aufgenommen.“
    „Señor, das ist keine fixe Idee, sondern der Mann ist jedenfalls ein sehr kluger Kopf, ein Zoopaläontologe, gerade wie ich!“ rief Morgenstern begeistert. „Lebt der Mann hier?“
    „Jetzt, ja.“
    „Wo denn, wo? Kann ich ihn vielleicht kennenlernen?“
    „Kennenlernen? Das ist gar nicht nötig. Sie kennen ihn längst, denn Sie sind es selbst.“
    „Ich? Ah! Oh!“ dehnte der Gelehrte, indem er den Mund weit offen ließ. „Mich meinen Sie, mich? So leide ich nach Ihrer Ansicht also an einer fixen, an einer krankhaften Idee?“
    „Allerdings. Nehmen Sie es mir nicht übel, Señor; aber es ist so, es ist wirklich so. Was können Ihnen die vorweltlichen Eidechsen nützen?“
    „Was sie mir nützen können? O, eine einzige solche Eidechse, lateinisch Lacerta genannt, kann mich zum berühmten Mann machen.“
    „Das verstehe ich nicht, will es aber glauben. Doch was hilft Ihnen eine Berühmtheit, welche Sie gar nicht erreichen können, weil Sie unterwegs umkommen werden?“
    „Umkommen? Halten Sie denn das für so gewiß und sicher, indubitatus, wie der Lateiner sagen würde?“
    „Ja, denn Sie sorgen sich um diese vorweltlichen Geschöpfe, aber nicht um Ihr Wohlergehen. Wie ich vernehme, sind Sie zu einer solchen Reise, wie die ist, welche Sie jetzt beabsichtigen, ja gar nicht ausgerüstet.“
    „O doch! Ich besitze Waffen, Bücher, Hacken und Schaufeln. Und die Pferde, welche mir nötig sind, werden Sie mir verkaufen. Außerdem ist Señor Parmesan bei mir, der den Chaco kennt.“
    „Ich sage Ihnen, daß er ihn nicht kennt, daß er höchstens einmal bis an die Grenze desselben gekommen ist.“
    „Aber er gehört doch zur Gesellschaft des Vaters Jaguar!“
    „Das glaube ich nicht. Der Vater Jaguar braucht keine Narren.“
    „Welchen Grund hätte er denn, es zu behaupten, wenn es nicht wahr wäre?“
    „Das will ich Ihnen sagen, Señor. Der Mensch schwärmt bei Tage und träumt des Nachts nur von seiner Chirurgie; aus welchem Grund, das weiß ich nicht; vielleicht sagt er es Ihnen einmal. Er rennt von einem Ort zum anderen, um Knochenbrüche und andere Verletzungen zu finden. Sie haben ihm gesagt, daß Sie nach dem Gran Chaco wollen; da ist er denn sofort überzeugt gewesen, daß es Brüche, Stiche, Kugeln und Wunden geben wird, und hat sich Ihnen zur Begleitung angeboten. Der rettet Sie nicht, wenn Sie in Gefahr kommen.“
    Der Estanciero meinte es aufrichtig gut. Morgenstern blickte still und nachdenklich vor sich nieder. Da sagte Fritze, der bei ihnen saß: „Señor, machen Sie uns nicht bange! Wir sind Preußen, und ein Preuße kommt überall durch. Ich bin schon oben in Tucuman gewesen und denke, daß wir auch jetzt ganz gut hinaufkommen werden. Unsre Ideen sind nicht fix und krankhaft, sondern sehr gesund; darauf können Sie sich verlassen!“
    Er sprach in dieser Weise, um die Besorgnis seines Herrn zu zerstreuen, nicht um den Estanciero zu beleidigen. Dieser aber mochte die zuversichtlichen Worte doch nicht recht am Platz finden, verzichtete darauf, guten Rat zu erteilen, und antwortete: „Ganz, wie Sie denken! Sie tragen nicht meine, sondern Ihre Haut zu Markte; es tut mir also nicht weh, wenn sie Ihnen abgezogen wird. Ich wünsche Ihnen aber alles Gute.“
    Er stand auf und fragte, ob er ihnen ihre Lagerplätze anweisen dürfe. Man geht in jenen Gegenden in der Regel sehr früh schlafen, um zeitig aufzustehen. Die beiden Gäste wurden auf weiche Fellunterlagen gebettet und schliefen bei den Klängen der draußen noch ertönenden Lieder ein.
    Als sie erwachten, ging eben die Sonne auf. Die Gauchos waren alle schon munter, obgleich sie sich viel später zur Ruhe niedergelegt hatten. Der Chirurg hatte in einem

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