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36 - Das Vermächtnis des Inka

36 - Das Vermächtnis des Inka

Titel: 36 - Das Vermächtnis des Inka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Zoologe?“
    „Nein; ich bin Gaucho.“
    „So hätte Ihre Aussage mir nicht genügen können. Hier gelten nur anerkannte Autoritäten.“
    „Señor, wenn ich auch nicht zu den Autoritäten zähle, so bin ich doch jedenfalls ein Caballero!“ meinte der Mann beleidigt. „Glauben Sie, daß ich Sie belügen würde?“
    „Nein. Sie würden mir sagen, was Sie für wahr halten; aber das kann doch kein Grund sein, Ihre Ansicht als eine wissenschaftliche Wahrheit einzuführen. Eine solche Wahrheit kann nur von Fachmännern festgestellt werden.“
    „Ich bin kein Gelehrter und will nicht annehmen, daß Sie mich beleidigen wollen, denn Sie sind unser Gast. Sie sind jedenfalls Fachmann, und es freut mich, daß Sie nun auf Grund eigener Erfahrung eine Wahrheit, die wir längst kannten, feststellen können. Aber Ihre Unvorsichtigkeit hat auch uns in Gefahr gebracht. Das sehen Sie wohl ein?“
    „Wieso Sie in Gefahr?“
    „So wissen Sie wohl gar nicht, was eine Estampada ist?“
    „Nein.“
    „Eine Estampada ist eine durchbrechende, durchgehende, aufgeregte, fliehende Pferde- oder Rinderherde. Infolge Ihrer Unvorsichtigkeit konnten wir alle sehr leicht unter die Hufe gestampft werden. Hoffentlich geben Sie mir wenigstens in dieser Beziehung recht und haben die Güte, dafür zu sorgen, daß weder Sie selbst noch wir durch Ihre roten Anzüge wieder in Verlegenheit gebracht werden.“
    Er wendete sich ab, und die anderen Gauchos folgten diesem Beispiel. Sie fühlten sich beleidigt, daß ihr Anführer nicht als ‚Autorität‘ anerkannt worden war. Die beiden Deutschen verstanden den ihnen gegebenen Wink und entfernten sich durch die Lücke aus dem Korral. Draußen vor der Umzäunung meinte Fritze: „Dat jing jrad wie im Cuartel von Santa Fé. Nicht?“
    „Wieso?“
    „Wir sind herausjeworfen worden, hier moralisch und dort auf unmoralische Weise. Ick muß sagen, daß unser Ritt sehr jut anfängt. Wir haben noch nicht 'mal Pferde und sind gleich am ersten Tag zweimal ex jeliefert worden. Wenn dat in diese Weise fortjeht, so werden wir aus dem Gran Chaco jeworfen, aus Peru jestoßen, aus Amerika jeschmissen und sitzen dann im jroßen Ozean, wat man das Stille Weltmeer nennt, und warten dort, bis wir durch eine neue Sündflut als vorjeschichtliche Walfische herausjebuddelt werden. Man hat unsere Ambition beschädigt; wir aber besitzen wenigstens den Trost, daß die wissenschaftliche Wahrheit festjestellt worden ist: Der Puter ärjert sich nicht allein über die rote Farbe.“
    „Ja“, nickte der Doktor. „Ich werde der Akademie der Wissenschaften eine Abhandlung über diesen Gegenstand einsenden. Es ist nun heutigentags unwiderleglich bewiesen, daß die Rinder einen Widerwillen gegen die rote Farbe haben.“
    „Und zwar beide Jeschlechter.“
    „Allerdings, aber doch in verschiedenem Grade. Das Masculinum war empfindlicher als das Femininum. Du wurdest nicht angegriffen, während der Stier mich in eine beinahe unkomfortable Lage brachte.“
    „Aber woher denn diese Aversion gejen diese Farbe, welche jrade meine Lieblingsfarbe ist?“
    „Das läßt sich jetzt nicht sagen. Die Tatsache ist festgestellt; den Gründen muß man noch nachspüren. Ob es vielleicht darin liegt, daß die roten Farbenstrahlen im Sonnenspektrum durch das Prisma am schwächsten gebrochen werden? Die roten Strahlen schwingen in einer Sekunde nur fünfhundertbillionenmal.“
    „Sollte dat dem Bullen aufjefallen sind?“
    „Von dieser Zahl hat er höchst wahrscheinlich keine Vorstellung. Aber wenn z.B. das Violett in der Sekunde achthundertbillionen Schwingungen macht, so ergibt das einen Unterschied von dreihundert Billionen, welcher so groß ist, daß er selbst auch dem Auge eines Wiederkäuers wohl aufzufallen vermag. Doch bedarf das jedenfalls noch der Aufklärung. Ich habe meinen nächsten Zweck erreicht und dabei zugleich eine Entdeckung gemacht, über welche jeder Menageriebesitzer in Entzücken geraten wird, wenn ich sie veröffentliche.“
    „So? Welche denn?“
    „Wie selbst das wildeste Tier sofort zu bändigen ist. Man hängt sich einfach an den Schwanz desselben. Die Situation ist zwar nicht übermäßig bequem, doch wird das einen Tierbändiger nicht hindern, meinem Beispiel zu folgen; ich bin überzeugt, daß es jeder wenigstens einmal versuchen wird.“
    „Hm! Dat ist nun so 'ne Sache! Ick möchte mir zum Beispiel nicht an den Schwanz eines Löwen oder einer Riesenschlange hängen.“
    „Es kommt auf den Versuch an, und ich

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