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36 - Das Vermächtnis des Inka

36 - Das Vermächtnis des Inka

Titel: 36 - Das Vermächtnis des Inka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Geronimo fröhlich auf.
    „Ja. Du tust doch mit?“
    „Natürlich! Frage doch nicht erst! Du weißt ja, wie gern ich dabei bin. Du meinst also, daß wir sie herausholen werden?“
    „Wir werden wenigstens den Versuch machen. Es kommt ganz auf die Örtlichkeit an und auf die Art und Weise, wie sie lagern.“
    „Und wenn es uns gelingt? Was dann?“
    „Dann reiten wir ruhig weiter.“
    „So! Denkst du nicht an das Pronunciamiento, an die Revolution, welche sie planen?“
    „Die geht uns eigentlich nichts an!“
    „O doch! Wir sind gute und treue Untertanen unseres Präsidenten. Wollen wir ruhig zusehen, daß er abgesetzt, vielleicht gar getötet wird?“
    „Dazu kann es nicht kommen. Ich weiß zwar nicht, wer an der Spitze dieser Meuterer steht, keinesfalls aber ist es ein Bursche, der es mit Mitre aufzunehmen vermag.“
    „Möglich, sogar sehr wahrscheinlich; aber selbst den Fall gesetzt, daß die Empörung niedergedrückt wird, so steht es doch fest, daß sie vielen, vielen Menschen das Leben und das Eigentum kosten wird. Haben wir das dann nicht auf unserem Gewissen?“
    „Hm!“ brummte der Vater Jaguar, welcher ganz der Meinung seines Gefährten war, diesen aber ein wenig warm werden lassen wollte. „Sollen wir, um andere zu retten, uns selbst in Gefahr begeben?“
    „Natürlich! Das versteht sich ganz von selbst! Das ist unsere Pflicht und Schuldigkeit! Ich begreife dich nicht. Du fürchtest doch sonst keinen Menschen, und jetzt sprichst du von Gefahr! Als ob von einer großen, schrecklichen Gefahr die Rede sein könnte, wenn man sich zwischen diese Aripones schleicht, um ihnen in aller Stille zwei Gefangene abzunehmen. Und selbst, wenn du recht hättest, verdienen diese Burschen eine Züchtigung dafür, daß sie sich ohne alles Recht an deinen Landsleuten vergriffen haben. Oder nicht?“
    „Das gebe ich zu.“
    „Also dürfen wir uns nicht so heimlich davonschleichen, sondern wir müssen ihnen eine scharfe Lehre geben.“
    „Das kann doch nur dadurch geschehen, daß wir unsere Waffen brauchen?“
    „Ja. Wir schießen einige von ihnen nieder.“
    „Nein. Das tue ich nicht. Wenn es nicht unbedingt notwendig ist, töte ich keinen Menschen.“
    „Das ist wieder eine jener Ansichten und Meinungen, welche du aus dem Norden mitgebracht hast. Es tut dir leid um die dortigen roten Völker, welche so elendig umkommen müssen. In Beziehung auf sie magst du recht haben, denn es ist wirklich schade um die tapferen, kühnen Männer, von denen du uns erzählt hast. Aber unsere südlichen Indianer besitzen diese Tugenden nicht; sie sind feig, mutlos und niederträchtig. Sie brechen aus ihren Wäldern hervor, um nächtlicherweile zu stehlen und die Schläfer zu ermorden. Finden sie aber Gegenwehr oder werden sie gar selbst angegriffen, so rennen sie davon wie geprügelte Hunde. Leute, welche mit vergifteten Pfeilen schießen, kann man weder achten noch bemitleiden. Es juckt mich wirklich in den Händen, ihnen zu zeigen, was es heißt, sich mit dem Vater Jaguar und seinen Männern zu verfeinden.“
    „Laß es jucken! Heute wollen wir froh sein, wenn es uns gelingt, die beiden unschuldigen Menschen frei zu machen. Ist das geschehen, so wollen wir sehen, was weiter zu tun sein wird.“
    „Wie viele Leute nimmst du mit?“
    „Zunächst nur dich. Die anderen bleiben hier. Je weniger wir sind, desto schwerer werden wir bemerkt.“
    Obgleich diese Unterhaltung so laut geführt worden war, daß alle diese letzte Bestimmung zu hören vermochten, fiel es doch keinem ein, sich gegen dieselbe aufzulehnen. Die Gesellschaft hatte zwar kein eigentliches Oberhaupt, und ein jeder besaß dasselbe Recht wie der andere, aber die Persönlichkeit des deutschen Riesen, der nicht nur körperlich, sondern auch geistig alle überragte, brachte dennoch den Eindruck vor, daß jeder ihn schweigend als den Führer, welchem man Gehorsam schuldete, anerkannte.
    Also seine Leute erklärten sich durch ihr Schweigen mit seinen Worten einverstanden; aber ein anderer sprach dagegen, nämlich der alte Anciano. Er sagte: „Señor, warum wollen Sie allein gehen? Nehmen Sie mich und meinen Enkelsohn mit! Sie kennen uns und wissen, daß wir Ihnen keinen Schaden bereiten werden!“
    Der Vater Jaguar schwieg eine Weile überlegend; dann antwortete er: „Ja, ich kenne Euch. Ihr versteht es, das wilde Lama zu beschleichen und den Kondor fast auf seinem Nest zu fangen. Zwar habe ich noch nicht gesehen, ob Ihr es auch vermögt, Euch einem Menschen

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