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36 - Das Vermächtnis des Inka

36 - Das Vermächtnis des Inka

Titel: 36 - Das Vermächtnis des Inka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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nicht der Oberst ist, hat er so viel gesehen und erfahren, daß man sich leicht veranlaßt sehen kann, ihn schweigsam zu machen. Hier zu Lande gilt ein Menschenleben nichts, und das eines Ausländers noch weniger als dasjenige eines Inländers. Und also Antonio Perillo war dabei? Dieser Stierkämpfer und notorische Schurke ist also auch mit in die Revolte verwickelt. Ich habe ein Wort mit ihm zu reden. Der Kapitän Pellejo ist ein Verräter. Und der Dritte? Wer war er? Wie wurde er genannt?“
    „Wie er heißt, das weiß ich nicht, denn sein Name blieb verschwiegen“, antwortete der Chirurg.
    „Beschreiben Sie ihn mir.“
    „Er war von langer und starker Gestalt, wenn auch nicht sosehr wie Sie, Señor Jaguar.“
    „Alt oder jung?“
    „Älter als die anderen.“
    „Welche Rolle schien er zu spielen? Diejenige eines Untergebenen?“
    „Nein, ganz und gar nicht. Er schien vielmehr der Vornehmste von allen zu sein. Er sprach so, als ob er es sei, der zu befehlen habe.“
    „Was er ist, ein Offizier, ein Estanciero, ein Gaucho, das konnten Sie wohl nicht erraten?“
    „Nein. Er sah ganz wie einer aus, der sich stets im Freien bewegt, wie ein Yerbatero, ein Cascarillero oder ein Gambus – – –“
    Er hielt inne und besann sich wie einer, dem etwas Wichtiges einfällt.
    „Nun, was ist's? Warum schweigen Sie? Wollten Sie Gambusino sagen?“
    „Ja, ja, Gambusino. Da fällt mir doch noch ein, daß er von dem Kapitän der größte Gambusino genannt wurde.“
    „Das ist schon etwas. Also ein Name wurde aber nicht genannt?“
    „Nein. Und wurde er genannt, so habe ich nicht darauf geachtet.“
    „Der größte Gambusino!“ fiel da Geronimo ein. „Sollte es etwa gar Benito Pajaro sein, der sich ja den größten Gambusino nennen läßt?“
    „Möglich“, antwortete der Vater Jaguar. „Ich bin diesem Mann sonderbarerweise noch nicht begegnet, habe aber gehört, daß er von langer und starker Gestalt ist. Nun, jedenfalls werden wir erfahren, mit wem wir es zu tun haben, denn ich bin sehr entschlossen, diesen Señores einen Strich durch ihre Rechnung zu machen. Sie wollen sich gegen Mitre empören, einen General, den ich achte und sehr wertschätze. Schon deshalb möchte ich ein Wort mit ihnen reden. Dazu kommt, daß sie sich an meinen Landsleuten vergriffen haben. Ich hoffe, ihr seid mit von der Partie und werdet mich nicht im Stich lassen!“
    „Nein, nein; das versteht sich ganz von selbst!“ rief es im Kreise.
    „So will ich euch sagen, wie ich mir die Sache denke. Die beiden Trupps gehören zusammen. Die Indianer, welche die Deutschen gefangengenommen haben, werden den anderen Trupp aufsuchen, und zwar höchstwahrscheinlich noch heute. Sie werden alle da lagern, wo dieser unser Señor Anciano die Roten beobachtet hat, und die Gefangenen befinden sich natürlich bei ihnen. Wir reiten jetzt hin und kommen dort an, wenn es Abend geworden ist. Die Waldöffnung wird trotz der Dunkelheit zu finden sein, und dann werden uns die Lagerfeuer als Führer dienen. Was wir tun werden, um die Gefangenen zu befreien, weiß ich jetzt noch nicht; aber wenn ich mich an sie geschlichen und sie beobachtet habe, wird sich leicht ergeben, in welcher Weise wir zu handeln haben. Also auf, zu den Pferden!“

NEUNTES KAPITEL
    Eine nächtliche Befreiung
    Die Sonne berührte schon den Horizont, als die Männer ihre Pferde sattelten. Anciano und Hauka waren zu Fuß gekommen; sie mußten also hinter zwei anderen Reitern aufsteigen. Anton, der Neffe des Bankiers, hatte sofort eine Zuneigung zu dem jungen, hübschen Inka gewonnen; er kam zu ihm und sagte in der höflichen spanischen Weise: „Señor, Sie werden gezwungen sein, zu zweien zu reiten. Darf ich Ihnen einen Sitz bei mir anbieten?“
    Über das ernste Gesicht des Inka, auf welchem gewöhnlich der den südlichen Indianern eigentümliche wehmütige Zug zu beobachten war, glitt ein freundliches, dankbares Lächeln, und er antwortete: „Ich werde Ihnen beschwerlich fallen, Señor, nehme aber Ihr Anerbieten an. Vielleicht ist es mir möglich, Ihnen einen anderen Dienst zu erweisen. Ich heiße Hauka; wie darf ich Sie nennen?“
    „Mein Name ist Antonio. Sie werden mir nicht lästig fallen; ich freue mich im Gegenteil darauf, mit Ihnen reiten zu dürfen. Sie werden wohl besser zu Pferd sitzen als ich; darum bitte ich Sie, mir den Sattel zu überlassen.“
    Er stieg auf, und Hauka sprang hinter ihm flink auf das Pferd. Anciano leistete einem der anderen Reiter Gesellschaft.

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