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36 - Das Vermächtnis des Inka

36 - Das Vermächtnis des Inka

Titel: 36 - Das Vermächtnis des Inka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Dann ging der Ritt an dem Rand des Waldes hin, ganz denselben Weg zurück, den die beiden gekommen waren. Die Sonne senkte sich hinter dem Horizont hinab, und der kurzen Dämmerung folgte der Abend.
    Der alte Anciano ritt mit seinem Sattelgefährten neben dem Vater Jaguar voran. Ihnen folgten Anton Engelhardt und der junge Inka mit Geronimo, dem Liebling des Vater Jaguar. Man bemühte sich, alles Geräusch zu vermeiden, und da der Boden weich und grasig war, so drang der Hufschlag nicht weit, und es war nur hie und da das Schnauben eines Pferdes zu vernehmen. So ging es weiter und weiter, bis Anciano halten blieb und den Inka in spanischer Sprache, so daß die anderen es verstehen konnten, mit unterdrückter Stimme fragte: „Ich denke, wir müssen den Einschnitt sofort erreichen. Was meinst du, mein Sohn?“
    „Eben wollte ich dich auf dasselbe aufmerksam machen, mein Vater“, antwortete der Gefragte. „Ich sehe trotz des Dunkels hier links einen hohen Laureliabaum, welcher mit auffiel, als wir aus dem Einschnitt kamen. Er ist nicht weit von dem letzteren entfernt.“
    „So werden wir absteigen und die Pferde etwas zurückschaffen müssen. Ihr Schnauben könnte uns verraten, denn wir wissen nicht, ob die zweite Truppe, bei welcher sich die Gefangenen befinden, schon da ist oder erst noch ankommen wird.“
    Diese Worte zeigten, daß der alte Indianer ein sehr um- und vorsichtiger Mann war, und da der Vater Jaguar keine Einwendung machte, so ritten die Männer eine kleine Strecke zurück und stiegen dann ab, um ihre Pferde an die den Waldesrand bildenden Bäume und Sträucher zu binden. Während dies geschah, hörte man die zwar leise, aber doch allen vernehmliche Stimme des Indianerknaben: „Still, Señores, ich höre etwas.“
    Keiner bewegte sich. Der Inka lag auf der Erde, das Ohr fest auf dieselbe gelegt.
    „Es kommen Reiter“, meldete er. „Sorgen Sie dafür, daß unsere Pferde nicht schnauben!“
    Jeder trat zu seinem Tier, um demselben die Nüstern mit der Hand zu bedecken. Ja, es kamen Reiter. Zunächst hörte man den im Gras dumpf klingenden Hufschlag ihrer Pferde; sodann vernahm man auch die Stimmen derer von ihnen, welche miteinander sprachen. Sie kamen von rechts, vom Fluß her und ritten dem Wald entgegen.
    „Wirst du uns auch richtig führen, Brazo valiente?“ hörte man jemand fragen. „Es ist kein Vergnügen, des Nachts eine schmale Lücke des Waldes zu suchen.“
    „Das war Antonio Perillo“, flüsterte der Vater Jaguar seinem Geronimo zu. „Ich kenne seine Stimme.“
    „Ich kenne jeden Pferdeschritt in dieser Gegend“, antwortete ein zweiter in gebrochenem, aber deutlichem Spanisch. „Wir sind genau in der Richtung. Eine hohe Laurelia steht da, wo der Wald sich trennt. Wir müssen sie sofort sehen.“
    Jetzt waren die Reiter so nahe, daß sie, obgleich es ziemlich finster war, den Wald erkennen konnten.
    „Da ist das Holz“, rief die zweite Stimme, „und da ist die Laurelia. Sie sehen, daß ich die Richtung gerade wie eine Schnur genommen habe. Einige Schritt nach rechts, und wir werden auf den Einschnitt treffen.“
    Sie lenkten nach der angedeuteten Richtung ein und waren dann nicht mehr zu sehen und zu hören.
    „Wie gut, daß wir nicht dort bei der Laurelia halten geblieben sind!“ sagte Geronimo. „Sie hätten uns ertappt. Was tun wir jetzt?“
    „Warten!“ antwortete der Vater Jaguar. „Wir können nicht eher handeln, als bis der eine Trupp zu dem anderen gestoßen ist und sie sich alle gelagert haben. Kanntest du die zweite Stimme, welche wir hörten?“
    „Es war mir freilich so, als ob ich sie schon einmal vernommen hätte, aber ich weiß nicht, wo und von wem.“
    „So will ich es dir sagen. Der, welcher Antonio Perillo antwortete und den Weg so genau kannte, war El Brazo valiente, der ‚Tapfere Arm‘, der Häuptling der Aripones.“
    „Caramba! Das ist wahr; jetzt besinne ich mich. Es war der ‚Tapfere Arm‘. Wir haben doch schon einige Male mit ihm gesprochen. Also er ist es, der die Deutschen gefangengenommen hat! Er gibt sie nicht freiwillig heraus.“
    „Nein. Früher waren wir mit ihm befreundet; da hätte er sie mir zuliebe losgelassen; jetzt aber wird es ihm nicht einfallen, dies zu tun.“
    „So zwingen wir ihn!“
    „Zunächst nicht zwingen, keine Gewalt anwenden. Wozu Blut vergießen, wenn uns die List viel leichter, viel sicherer und ohne alle Verluste zum Ziel zu führen vermag.“
    „Ah! Also wieder eins deiner Kunststücke?“ lachte

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