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3,6 Millionen Schritte Himmel & Hölle - Pilgerreise auf dem Jakobsweg (German Edition)

3,6 Millionen Schritte Himmel & Hölle - Pilgerreise auf dem Jakobsweg (German Edition)

Titel: 3,6 Millionen Schritte Himmel & Hölle - Pilgerreise auf dem Jakobsweg (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kamps
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dass kein anderer aus unserer Gruppe es geschafft hätte, den Wirt so um den kleinen Finger zu wickeln, wie Carolina. Nach einem üppigen Abendessen rollen wir unsere Schlafsäcke und Isomatten da aus, wo mal Schüler unterrichtet wurden, machen es uns irgendwie gemütlich und fallen erschöpft in den Schlaf.
     
     
     
    Fazit: Nur noch einmal schlafen bis Santiago!!!
     
     
     

Mittwoch, 27. August, 107. Tag:
     
     
     
Calle - SANTIAGO DE COMPOSTELA, ca. 32,5 km
     
     
     
    Besonders Pilger wie Lukas oder Jean Marie, die ähnlich oder genauso lange unterwegs waren wie ich, können nachempfinden, was heute am letzten Tag in mir vorgeht. Schade, dass sich dieses Gefühl so unglaublich schwer in Worte fassen lässt. Endlich also ist es soweit.  Ich werde heute mein lang ersehntes und hart erkämpftes Ziel erreichen: Santiago de Compostela!
     
    Wie oft in den letzten dreieinhalb Monaten habe ich den Namen dieser Stadt ausgesprochen, wie oft gelesen, wie oft mit anderen darüber gesprochen? Wie oft habe ich Bilder von der Kathedrale gesehen und wie oft habe ich mir den Moment der Ankunft und den ersten Blick auf die Kathedrale vorgestellt? Wie oft hat mich die Vorstellung, es endlich geschafft zu haben, angespornt weiterzulaufen, meinen Schweinhund zu besiegen und nicht aufzugeben?
     
    Die Glücksgefühle auf dieser letzten Etappe sind für uns alle absolut überwältigend, und die Gewissheit, heute Abend endlich vor der Kathedrale zu stehen, sorgt auf den letzten Kilometern für Gänsehaut und eiskalte Schauer. Das Bewusstsein, es geschafft zu haben und anzukommen, kann so unglaublich schön sein.
     
    Auch der letzte Tag wi rd nochmal sehr heiß und staubig. Abgesehen vom galizischen Musterdorf Calle und dem Monte do Gozo, gibt es keinen Höhepunkt mehr, aber was macht das schon in Erwartung des größten Ereignisses und des größten Höhepunktes meiner Pilgerreise? Die überfüllten Mülleimer am Weg lassen unschwer erkennen, dass auf den letzten 100 Kilometern wirklich die meisten Pilger unterwegs sind.
     
    Leider bekommen auch schon die, die nachweislich nur die letzten 100 Kilometer gepilgert sind und auch die, die ihren Müll einfach überall hinschmeißen, die begehrte Compostela in Santiago.
     
    Deshalb machen sich sehr viele Spanier mal eben über ein verlängertes Wochenende auf eine ’Pilgerreise’. Ich finde, dass die Compostela nur Pilgern überreicht werden sollte, die wenigstens den kompletten spanischen Camino, auch in mehreren Abschnitten, zu Fuß zurückgelegt haben! Ja, den kompletten, und ja, zu Fuß! Vielleicht sollte es für die Fußpilger eine goldene, für Fahrradpilger eine silberne und für Pilger zu Pferd, von denen ich heute zum ersten Mal welche sehe, eine bronzene Compostela geben.
     
    Ich weiß nur allzu gut, dass eine Pilgerreise kein sportlicher Wettkampf ist, aber dann eher so, als an jeden, der mal eben eine 100-Kilometer Spaß-Wanderung macht, eine Compostela auszugeben. Als wir 5 Kilometer vor unserem Ziel den Monte do Gozo erreichen, sind wir fast nicht mehr zu halten. Monte do Gozo heißt übersetzt „Berg der Freude“, weil Pilger von dort seit Jahrhunderten zum ersten Mal das Ziel ihrer Pilgerreise erblicken können, das heute unter einer Dunstglocke liegt und deshalb leider kaum sichtbar ist.
     
    Wir machen eine Flasche Wein auf und stoßen in unserer wirklich letzten Pause zum ersten Mal auf Santiago an. Auf den letzten Kilometern schaffe ich es dann fast nicht mehr, mein Grinsen aus dem Gesicht zu bekommen. Als wir dann zirka zwei Kilometer vor der Kathedrale das Ortsschild mit der Aufschrift ‘Santiago’ passieren, fallen wir uns gegenseitig in die Arme, können unser Glück kaum fassen und auf der erstbesten Wiese schmeißen Eduardo und ich unsere Rucksäcke ins Gras und wälzen uns darin wie kleine Kinder.
     
    Danach sind Eduardo und ich nicht mehr zu halten . Wir hängen die Mädels ab und legen die letzten eineinhalb Kilometer in einem irren Tempo, fast im Dauerlauf, zurück. Immer wieder dreht sich Eduardo, der mir ein paar Schritte voraus ist, zu mir um und grinst mich breit an. Wieder sind wir wie Kinder vor der Bescherung an Heiligabend. Und dann endlich DER ganz große Moment: Durch ein letztes Tor erreichen wir den Kathedralenvorplatz, den Praza do Obreiro, und links von uns erhebt sich umwerfend majestätisch das Ziel unserer langen Reise:
     
    DIE Kathedrale!!!
     
    Und an dieser Stelle fehlen mir dann endgültig die Worte, weil ich diesen

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