3,6 Millionen Schritte Himmel & Hölle - Pilgerreise auf dem Jakobsweg (German Edition)
ersten Jakobspilger, der bettelnd in der vollen Fußgängerzone sitzt und mir einen guten Weg wünscht.
Hoffentlich reicht meine Kohle und ich bin nicht auch irgendwann so pleite, dass ich betteln muss.
Über di e deutsch-schweizerische Grenze erreiche ich Kreuzlingen. Kurz hinter Kreuzlingen und kurz vor meinem 1. Etappenziel geht es einen Kreuzweg entlang ziemlich steil bergauf und ohne es zu diesem Zeitpunkt zu wissen, ist diese Steigung und der Leidensweg Christi ein kleiner Vorgeschmack auf das, was mich in den nächsten zwanzig Tagen in der Schweiz erwartet.
An der Heiligkreuzkap elle Bernrain hole ich mir stolz und erschöpft meinen ersten Pilgerstempel bei einem sehr betagten Geistlichen ab, der ihn mir zitternd in meinen Pilgerausweis drückt.
Hinter dem Friedhof und der Kapelle schlage ich mein Zelt auf und genieße mein Abendbrot, sowie den wunderschönen und vorerst letzten Blick auf Konstanz, Meersburg und den Bodensee.
Ich bin echt k.o., ist aber kein Wunder, so untrainiert wie ich bin.
Meine Füße, Knie und meine Schultern tun weh - ach, eigentlich tut mein ganzer Körper weh. Wie es aussieht, habe ich wohl auch den klassischen Anfängerfehler gemacht und bin doch mit zu viel Ballast auf meinen Schultern losgelaufen.
Mein Gepäck wiegt ca.16 kg, ohne Proviant! Außerdem haben meine Füße 94 Kilogramm Eigengewicht zu tragen. Der Rucksack und ich sollten mit der Zeit abnehmen.
Das Wetter war super zum Wandern: trocken, sonnig, 25°! Darf so bleiben.
Fazit des Tages: Auch die längste Reise beginnt mit dem ersten Schritt.
„ Die meisten Menschen scheitern, weil sie zu
früh aufhören oder erst gar nicht anfangen.“
( Henry Ford)
„Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, der uns beschützt und der uns hilft zu leben… Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde.“
( Hermann Hesse)
Mittwoch, 14. Mai, 2. Tag:
Kreuzlingen – Tobel, 24 km
Nachdem ich mein Zelt abgebaut, gefrühstückt und meine Wasserflasche auf dem Friedhof aufgefüllt habe, breche ich um kurz vor zehn auf. Mein Rücken hat sich einigermaßen erholt, aber an beiden Füßen kündigen sich zwei Hühnerei große Blasen an. Freu mich also schon auf die vor mir liegende Etappe.
Der Weg wird wieder sehr schön und das Wetter spielt auch wieder mit. In einem Waldabschnitt begegne ich der ersten Pilgerin, Ruth, der ich später wieder begegnen werde und mit der ich auch ein paar Abschnitte laufen werde. Ich komme an der Santiago de Compostela Bar vorbei, die genauso einfach wie wunderschön mitten in einem Feld liegt und zu einem ebenso einfachen Hof gehört. Ich bitte den Besitzer darum, meine Wasserflasche auffüllen zu dürfen und komme mit dem einzigen Gast ins Gespräch, der unschwer als Pilger zu erkennen ist. Harald erzählt mir, dass er nach Rom unterwegs sei, nachdem er 2007 nach Santiago gepilgert war.
Als ich dann kurz vor Märstetten eine Pause mache, holt mich Harald ein. Da ich gerne einen Weggefährten hätte und er mir sympathisch ist, überrede ich ihn, nicht wie geplant seine Tagesetappe dort, sondern zusammen mit mir in Tobel zu beenden. Also setzen wir gemeinsam den Weg for t und ich habe meinen ersten Weggefährten gefunden. Ein Glücksfall, wie sich später herausstellen wird.
Wenig später treffen wir auf Ruth und schon sind wir zu drit t. Hatte ich gestern noch etwas Angst vor der Einsamkeit, muss ich daran heute erst mal nicht mehr denken. Trotz meiner im Laufe des Tages immer größer gewordenen Blasen und unter starken Schmerzen schaffe ich es dann auch bis nach Tobel.
Ruth marschiert zu ihrer reservierten Herberge, die uns aber zu teuer ist. Also versuchen wir kurz hinter dem Ortseingang auf dem Bauernhof der Familie Rupp, der auch Pilgern Übernachtungsmöglichkeiten bietet, unser Glück. Ich will und kann keinen Schritt mehr laufen, also muss es hier einfach klappen. Tatsächlich sind nicht nur zwei Betten frei, sondern ich schaffe es auch, zu Haralds Verwunderung, die Übernachtung und das Frühstück gegen einige Stunden Mitarbeit auf dem Hof auszuhandeln. Die Schweiz ist ja bekanntlich nicht gerade das günstigste Reiseland. Verglichen mit dem, was später noch so alles kommt, ist unsere Unterkunft luxuriös. Ein Zimmer mit zwei gemütlichen, frisch bezogenen Einzelbetten und ein sauberes Bad, das wir uns mit niemandem teilen müssen.
In Harald zeigt sich mir zum ersten Mal,
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