37 - Satan und Ischariot I
kommen. Wir wollten auf sie treffen, ihnen folgen und sie beobachten. Deswegen bogen wir, am südöstlichen Ende des Waldes angelangt, nach Norden um und ritten am Wald hin, bis wir das nordöstliche Ende erreicht hatten. Dort blieben wir halten.
Wir hatten bis jetzt nicht gesprochen; lange Reden und Erklärungen gab es nicht zwischen uns. Jetzt fragte ich kurz:
„Du weiter oder ich?“
„Wie Old Shatterhand will“, antwortete der Apache.
„So mag Winnetou weiterreden; er hat ein schärferes Ohr als ich.“
„Das Gehör des ‚Blitzes‘ wird das Ohr meines Freundes unterstützen. Welches Zeichen geben wir uns?“
„Den gewohnten Adlerschrei nicht, denn in dieser Gegend gibt es keine Adler.“
„So mag Old Shatterhand den Puma nachahmen, welchem man des Nachts hier leicht begegnen kann!“
Nach diesen Worten ritt er davon, so leise, daß man den Tritt seines barfußen Pferdes nicht zu hören vermochte. Wir trennten uns, weil wir nicht wußten, ob die Yumas sich nahe an den Wald halten würden oder nicht; daher mußte einer von uns sich weiter als der andere von demselben entfernen. Natürlich bildete der Rand des Waldes keine schnurgerade Linie, sondern zahlreiche Windungen, denen die Yumas sicher nicht folgen würden. Wir mußten die von ihnen eingeschlagene Linie vermuten, uns denken, wozu der Instinkt der Erfahrung gehörte. Postierten wir uns zu nahe oder zu weit ab, so gingen sie vorüber, ohne von uns bemerkt zu werden. Und doch verloren wir über diese Schwierigkeiten kein einziges Wort, ebenso wie ich gar nicht gefragt hatte, ob wir uns trennen würden. Es verstand sich das ganz von selbst, und dann mußte ein jeder sich sozusagen auf seine eigene ‚Nasenspitze‘ verlassen.
Ich ritt noch langsam ein Stück, so weit ich dachte, vom Wald fort und stieg dann ab, um mich in das Gras zu legen. Mein Pferd begann sofort, sich Gras abzuraufen.
„Hatatitla, iteschkusch – Blitz, leg dich!“ sagte ich ihm.
Es streckte sich sofort im Gras aus, ohne von nun an einen Halm zu berühren. Das Geräusch des Rupfens hätte mich verhindert, in die Ferne zu hören. Ich lag hart neben dem Pferd, um es besser beobachten zu können. Winnetou hatte gesagt, daß das Gehör des ‚Blitzes‘ mein Ohr unterstützen werde, und ich wußte allerdings, daß ich mich in dieser Beziehung auf das Pferd verlassen konnte.
Das kluge Tier lag mit dem Kopf nach Osten, woher ich die Yumas erwartete. Es hob denselben von Zeit zu Zeit und sog die Luft langsam und prüfend durch die Nüstern ein. Da – wir mochten wohl eine Viertelstunde so gelegen haben, verwandelte sich der erst leise Atemzug des Pferdes plötzlich in ein stärkeres Schnauben; es legte die Ohren vor und gab dem Kopf jene charakteristische Haltung, welche auf Spannung deutet. Ich legte das meine auf den Boden, konnte aber nichts hören.
Jetzt schnaubte das Pferd lauter, aber nicht ängstlich, wie es beim Nahen eines Raubtieres getan hätte. Es kamen Menschen. Ich legte die Hand auf die Nase des Pferdes und drückte sie nieder; darauf wußte ich, daß das Tier nun keinen Laut mehr von sich geben und sich auch, selbst falls man schießen sollte, nicht bewegen werde, und das dank der Dressur, die es von Winnetou erhalten hatte.
Wenn ich von Dunkelheit spreche, meine ich damit natürlich keine ägyptische Finsternis. Man konnte mehrere Schritte weit sehen, und es war nur zu wünschen, daß die Linie, welche die Nahenden innehielten, nicht etwa geradewegs über meinen Körper führte. Die Befürchtung, welche ich in dieser Beziehung hegte, traf beinahe ein. Ich hörte den dumpfen Schall von vielen Huftritten im Gras; sie kamen näher und näher und, wie es schien, gerade auf mich zu. Dann sah ich die dunkle Masse der Reiter und Pferde; ich konnte nicht mehr auf und fort, weil ich gesehen worden wäre. Ich schmiegte mich dicht und lang an mein Pferd und hielt demselben die Nase fest auf die Erde nieder. Jetzt kamen sie glücklicherweise doch nicht so nahe, wie ich erst befürchtet hatte. Vielleicht dreißig Schritt entfernt ritt der erste an mir vorüber; ihm folgten die anderen, nicht einfach hinter-, sondern zu mehreren nebeneinander. Ich konnte die Gesichter gar nicht und die Gestalten nur undeutlich erkennen, aber die Zahl stimmte ungefähr: es waren die Yumas.
Zuletzt kamen noch zwei Nachzügler, welche sich etwas weiter links hielten als die anderen und mir also weit näher, vielleicht fünfzehn Schritte näher kamen. Die Gestalt meines Pferdes und mein
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