37 - Satan und Ischariot I
erstenmal die Friedenspfeife rauchen soll. Eigentlich muß er sich den heiligen Ton dazu selbst aus den roten Steinbrüchen holen; die südlich wohnenden Stämme können diese Bedingungen freilich nicht erfüllen, machen dafür jedoch andere Anforderungen, deren Erfüllung kaum weniger schwierig ist.
Der Mann, welcher das Wagnis unternimmt, solche Bedingungen und Anforderungen zu umgehen, muß einen großen Namen haben und seiner Sache sehr sicher sein; er begibt sich in die Gefahr, sein Leben zu verlieren oder wenigstens für immer ausgestoßen zu werden. Dennoch war ich entschlossen, das Wagnis zu unternehmen, und ich glaubte, daß der Erfolg kein für mich nachteiliger sein werde.
Es galt nämlich dem älteren Sohn des Häuptlings, welcher sich so brav benommen hatte. Er war der Überzeugung gewesen, daß er bei mir schneller als sonst zu einem Namen kommen werde – nun wohl, er sollte sich nicht getäuscht haben.
Als Winnetou die Friedenspfeife vor dem letzten der Indianer zurückerhielt und den Beutel auch wieder an den Gürtel hängen wollte, nahm ich ihm beides aus der Hand und sagte:
„Mein roter Bruder wolle mir sein Kalumet erlauben. Es hat einer den Rauch der Pfeife nicht getrunken, welcher doch würdig ist, sie als einer der ersten in die Hand zu bekommen.“
Meine Worte erregten zwar Verwunderung, doch keine allzu große, weil man glaubte, ich meine den Wachtposten, welcher sich nicht bei uns, sondern in der Waldspitze befand und also nicht mitgeraucht hatte. Daß ich nicht nur an ihn dachte, sondern ihn sogar einen der ersten nannte, war allerdings etwas, was ihnen sonderbar vorkommen mußte. Ich stopfte die Pfeife, stand auf, schritt aus dem Kreis hinaus, ergriff die Hand des Knaben, führte ihn an meinen Platz, in den Kreis zurück und sagte dann, mich rundum wendend:
„Hier steht Old Shatterhand. Meine roten Brüder mögen hören und sehen, was er spricht und tut. Wer dann nicht mit ihm einverstanden ist, mag mit ihm kämpfen um das Leben und um den Tod!“
Es trat eine tiefe, erwartungsvolle Stille ein. Aller Augen hingen wie gebannt an mir und an dem Knaben. Die Hand des letzteren zitterte in der meinigen; er ahnte, was für ein wichtiger Augenblick gekommen sei.
„Mein junger Bruder mag mutig und auf der Stelle, ohne Zögern, tun, was ich ihm sagen werde!“
Diese Worte raunte ich ihm leise zu, und er antwortete ebenso leise:
„Ich werde befolgen, was Old Shatterhand mir gebietet.“
Jetzt setzte ich die Pfeife in Brand, tat den ersten Zug, blies den Rauch gen Himmel und sagte:
„Diese Wolke des heiligen Rauches geht zum Manitou, dem großen, guten Geist, welcher alle Gedanken kennt und die Taten des ältesten Kriegers und des jüngsten Knaben verzeichnet. Hier sitzt Nalgu Mokaschi, der berühmte Häuptling der Mimbrenjokrieger; er ist mein Freund und Bruder, und mein Leben ist sein Eigentum. Und hier steht neben mir sein Sohn, an Jahren ein Knabe, an Taten aber ein alter Krieger. Ich fordere ihn auf, meinem Beispiel zu folgen und dem großen Manitou den heiligen Rauch des Kalumets zu geben.“
Bei den letzten Worten gab ich dem Knaben die Pfeife in die Hand. Er führte sie sofort zum Mund, tat einen langen Zug und blies den Rauch gegen den Himmel. Das war von mir eine Kühnheit und von ihm ein Wagnis, für welches freilich nicht er, sondern ich verantwortlich gemacht werden mußte. Die Folge zeigte sich sofort. Das war noch nie dagewesen; ein Knabe ohne Namen raucht die Friedenspfeife! Die Indianer standen auf und erhoben laute Rufe. Auch der Häuptling sprang auf und starrte mich an. Nur Winnetou blieb ruhig sitzen. In seinem ehernen Gesicht war weder eine Spur von Zustimmung noch von Mißbilligung zu lesen. Ich winkte mit der Hand Schweigen, ergriff die Pfeife wieder, tat die bereits beschriebenen fünf weiteren Züge und gab sie dem Knaben zurück, der, zu allem entschlossen, schnell dieselben Züge tat. Da aber erhob sich lautes Gebrüll; Ausrufe des Zorns schwirrten durcheinander. Man hielt das, was ich tat, für ein Verbrechen an den heiligen Gewohnheiten der Nation. Aller Augen blitzten mir zornig entgegen; man ballte die Fäuste; man zog die Messer, und von den Ausrufen welche ich hörte, wiederholte sich besonders der eine: „Ein Knabe, der keinen Namen hat!“
Auch der Häuptling war, obgleich es sich um seinen eigenen Sohn handelte, keineswegs einverstanden mit mir. Er nahm den Knaben bei der Schulter, schob ihn von mir weg und rief:
„Was wagt Old Shatterhand!
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