37 - Satan und Ischariot I
sie da; sie gingen vorüber, langsam und indem sie vorsichtig vor sich hin spähten. Als sie vorbei waren, huschten wir hervor. Ich tat zwei, drei schnelle Sprünge, kam an dem hinteren vorüber, den ich dabei niederschlug, um Winnetou leichteres Spiel zu machen, und faßte den vorderen mit beiden Händen um den Hals, stieß ihm das Knie in das Kreuz und riß ihn so hintenüber zu Boden. Als ich dann rasch auf seiner Brust kniete und mein Gesicht dem seinigen näher brachte, erkannte ich ihn. Es war der ‚Große Mund‘, der Häuptling der Yumas in eigener Person. Er trug die rechte Hand in der Binde und wäre, selbst wenn ich ihn nicht so fest beim Hals gehabt hätte, nicht imstande gewesen, sich mit seinem linken Arm nachdrücklich gegen mich zu wehren.
Ein Blick auf Winnetou zeigte mir, daß diesem der Hieb, den ich dem anderen Indianer gegeben hatte, sehr zustatten gekommen war. Er kniete ihm auf dem Rücken, hatte ihm den Lasso abgenommen und band ihm mit demselben die Hände hinten zusammen. Der Rote wehrte sich dagegen mit keiner Bewegung, da er sich in einem Zustand kurzer Betäubung befand. Dann kam Winnetou zu mir, wand dem Häuptling, während ich denselben festhielt, den Lasso von den Hüften und fesselte ihn ebenso, wie er seinen Gefährten gebunden hatte. Dabei sah er natürlich auch die Züge des Gefangenen und rief, ganz gegen seine sonstige Gewohnheit, überrascht aus:
„Uff! Hat mein weißer Bruder gesehen, wen wir da ergriffen haben?“
„Ja“, antwortete ich, indem ich nun den Hals des ‚Großen Munds‘ freigab. „Wir haben einen guten Fang gemacht.“
Der Genannte bekam jetzt wieder Luft. Er tat einen tiefen Atemzug und knirschte, indem er mich aus seinen Augen förmlich anblitzte:
„Old Shatterhand! Hierher kann dich nur der böse Geist geführt haben.“
„Nicht der böse Geist, sondern der Krieger, den du hier bei mir siehst“, antwortete ich, indem ich auf den Apachen deutete. „Siehe ihn an! Kennst du ihn?“
Eben trat der Mond hinter der Kante des Waldes hervor und warf sein Licht in die Gruppe, welche wir bildeten, wobei er meinen roten Freund hell beleuchtete.
„Winnetou! Uff, uff! Der Häuptling der Apachen!“ stieß der Yuma hervor.
„Ja, Winnetou ist's“, fuhr ich fort. „Du wirst nun wohl einsehen, daß du nicht wieder loskommen kannst. Wer sich in der Gefangenschaft Winnetous befindet, erlangt nur dann die Freiheit, wenn dieser sie ihm freiwillig zurückgibt.“
„Du irrst“, antwortete er in drohendem Tone. „Ich werde in wenigen Minuten wieder frei sein.“
„Wieso?“
„Meine Krieger werden mich befreien. Wir sind ihnen vorangegangen, und sie werden uns gleich nachfolgen. Ihr seid verloren. Wenn ihr uns aber sofort wieder losbindet, bin ich bereit, euch laufenzulassen.“
„Deine Worte sind die dümmsten, welche du jemals gesprochen hast“, lachte ich.
„Ich sage die Wahrheit!“ behauptete er.
„Wenn du zu unerfahrenen Männern sprächst, so könnte deine List vielleicht Erfolg haben; da du aber Winnetou und mich vor dir hast, so ist es eine reine Lächerlichkeit, uns auf eine so alberne Weise einschüchtern zu wollen. Haben deine Krieger Pferde oder nicht?“
„Sie haben welche; das weißt du ja auch. Um so schneller werden sie hier sein.“
„Sie haben Pferde, und ihr reitet ihnen nicht, sondern ihr lauft ihnen voran? Der ‚Große Mund‘ hält uns doch nicht etwa für Kinder! Daß ihr nicht reitet, sondern geht, würde uns alles sagen, selbst wenn wir nichts wüßten. Wir wissen aber, daß die Yumas lagern und daß ihr beide gegangen seid, nach mir und den Mimbrenjos zu suchen. Ihr seid Kundschafter, eure Krieger werden euch nicht nachfolgen, sondern liegenbleiben, um eure Rückkehr zu erwarten.“
„Du beleidigst mich. Wie kannst du einen Häuptling einen Kundschafter nennen!“
„Wenn er einer ist, warum dann nicht? Die Wiedererlangung meiner Person war dir von solchem Wert, daß du dich selbst aufgemacht hast, nach uns zu suchen.“
„Und ich sage nochmals, daß du dich irrst. Bindet uns los, wenn nicht, so werden meine Krieger in wenigen Augenblicken hier sein und uns befreien. Dann kann ich sie nicht hindern, euch zu töten.“
„Wir fürchten euch nicht“, entgegnete Winnetou. „So wie ihr euch jetzt in unserer Gewalt befindet, werden wir auch alle eure Krieger ergreifen.“
„Sie werden sich wehren und euch vernichten“, drohte der ‚Große Mund‘.
„Deine Rede ist leer wie ein Pulverbeutel, in welchem sich
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