37 - Satan und Ischariot I
freuen, diese Dankbarkeit zu sehen, und eben darum auch will ich lieber bis zum Vormittag warten. Jetzt ist es trotz des Mondscheins nicht hell genug, meine Seele an dem Entzücken der Deinigen laben zu können.“
„Deine Seele ist noch finsterer als die Nacht, wenn kein Mond sie erhellt. Deine Worte haben einen freundlichen Klang, aber sie bergen eine Tücke in sich, die ich nicht zu durchdringen vermag!“
„Man soll jemand, der einem eine Überraschung bereiten will, nicht deshalb gleich der Heimtücke zeihen. Komm nur mit, so wirst du sehen, was ich dir zeigen will!“
Er konnte in seiner gezwungenen Lage nichts tun, als mir folgen, wäre aber wohl auch ohne Zwang, nur von der Neugierde getrieben, mitgegangen. Ich führte ihn bis dahin, wo der erste Posten am Rand des Waldes stand, und von da aus in den letzteren hinein, ihn bedrohend:
„Merke jetzt, was ich dir sage! Du hast von jetzt an, bis ich dir das Reden erlaube, kein Wort zu sprechen; ja selbst beim ersten lauten Hauch wird dir sofort die Klinge meines Messers in das Herz fahren. Hier, fühle einmal die Spitze derselben!“
Ich zog mein Messer und stieß ihm die Spitze durch das Gewand, welches seine Brust bedeckte, so daß seine Haut ein kleines Loch bekam. Er erschrak aufs heftigste und bat, infolge meiner soeben ausgesprochenen Drohung allerdings mit sehr unterdrückter Stimme:
„Stich nicht, stich nicht! Ich werde still sein; du sollst keinen Laut von mir hören!“
„Das hoffe ich um deinetwillen, denn ich würde meine Worte unbedingt und augenblicklich wahr machen. Geh jetzt weiter; halte dich eng an mich und paß genau auf das auf, was du siehst und was du hörst!“
Er hatte den ersten Posten am Boden liegen sehen. Wir gingen zum zweiten. Da es hier unter den Bäumen dunkel war und der Mann mich nicht erkennen, also möglichenfalls für einen Feind halten konnte, rief ich ihn einige Schritte vorher in gedämpftem Ton an:
„Ich bin's, Old Shatterhand, hat sich vielleicht etwas ereignet?“
„Nein; sie schlafen noch.“
So ging ich mit dem ‚Großen Mund‘ von einem Posten zum anderen, mit jedem einige Worte wechselnd, so daß der Häuptling genau erfuhr, in welcher Weise seine Leute hier umzingelt waren. Am anderen Ende der im Wald liegenden Wächterlinie traf ich auf den Apachenhäuptling. Als er den Yuma sah, erriet er sofort meine Absicht und sagte:
„Du kommst, dich zu überzeugen, daß keiner der Hunde hier durchzuschlüpfen vermag? Sie sind noch schlimmer als Hunde, denn Hunde sind wenigstens wachsam, die Yumas aber schlafen. Es ist eine Schande, der Anführer so untauglicher Leute zu sein. Ihr Erwachen wird ihnen Entsetzen bringen, denn wenn sie sich nicht ergeben, werden wir sie vom ersten bis zum letzten niederschießen.“
Ich merkte dem ‚Großen Mund‘ an, daß er etwas sagen wollte; vielleicht war es eine Bitte, welche sich jetzt schon auf seine Zunge drängte; aber er erinnerte sich meiner Drohung und schwieg. Wir gingen weiter, aus dem Wald ins Freie hinaus, von Posten zu Posten, bis wir auch diesen größeren Halbkreis abgeschritten hatten. Dabei trafen wir auf den ‚Starken Büffel‘, welcher hier zu befehligen hatte. Er war weniger scharfsinnig als Winnetou und erriet nicht, zu welchem Zweck ich den ‚Großen Mund‘ mitgenommen hatte. Darum fragte er mich in beinahe unfreundlichem Ton:
„Warum schleppt Old Shatterhand diesen Hund mit sich? Willst du ihm Gelegenheit zum Entkommen geben? Laß ihn doch bei seinen fünf Wächtern! Du hast nur zwei Augen und zwei Hände, sie aber besitzen deren zehn.“
„Meine beiden Augen sind ebensogut wie ihre zehn, und du weißt, daß meine Arme mehr vollbracht haben als die ihrigen. Was zürnst du? Hast du nicht vorhin selbst gesagt, daß Old Shatterhand stets weiß, was er tut!“
„Aber wenn du kommst, um dich zu überzeugen, daß wir wachsam sind, ist es von keinem Nutzen, den Gefangenen mitzubringen!“
„Ich komme eben nicht um dieser Überzeugung willen, sondern aus einem anderen Grund. Meinst du, daß es wohl einem einzigen dieser Yumas gelingen mag, durch unsere Umschlingung zu entkommen?“
„Was fragst du noch, da du doch ebensogut wie ich wissen mußt, daß es unmöglich ist; wenn sie es versuchen, so schießen wir.“
„Das wollte ich wissen. Sollte dich ja ein Gefühl des Mitleids ankommen, so unterdrücke es! Je mehr eure Kugeln sofort unter ihnen aufräumen, desto weniger haben wir später nachzuholen.“
„Mitleid!“ lachte er
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