37 - Satan und Ischariot I
jedenfalls nicht ohne Grund. Er wollte mein Gefangener sein, weil ich versprochen hatte, sie freizulassen.
„So geht jetzt, um die Waffen abzuliefern, doch einzeln. Es darf keiner eher kommen, als bis der vorherige abgefertigt ist.“
„Dürfen wir nicht wenigstens unsere Heiligtümer behalten?“
„Der große Geist hat gewollt, daß ihr in unsere Hände fallt; sein Angesicht ist von euch gewendet, und so sind eure Heiligtümer wertlos geworden; aber ich will euch nicht so tief erniedrigen und kränken. Ihr sollt eure Kalumets und Medizinen behalten dürfen.“
Das war wenigstens eine Erleichterung für ihre niedergeschlagenen Seelen. Ist schon der zufällige Verlust der Medizin ein schwer auszugleichender Schaden, so bedeutet es geradezu eine unauslöschliche Schande, wenn ein Indianer seinem siegreichen Feind die Medizin und dazu gar das Kalumet übergeben muß.
Sie schickten sich an, nach dem Lager zurückzukehren. Als sie zehn oder fünfzehn Schritte gegangen waren, blieb der Sprecher stehen, wendete sich um und sah zu mir zurück. Es lag in seinem Blick eine deutliche Aufforderung für mich, zu ihm zu kommen, da er mir etwas zu sagen habe. Ich wußte, was es war, und ging ihm nach.
„Old Shatterhand mag verzeihen, daß ich noch einmal rede!“ sagte er. „Ich weiß, daß die beiden anderen Anführer es nicht hören dürfen.“
„Sprich, aber fasse dich kurz!“
„Ist es wahr, daß Old Shatterhand versprochen hat, uns heimlich freizulassen?“
„Ja, wenn euer Häuptling sein Versprechen erfüllt.“
„Welches?“
„Er hat mir nicht erlaubt, es euch zu sagen.“
„Aber wenn er es nicht erfüllt?“
„So werde ich annehmen, daß ich das meinige nicht gegeben habe.“
„Dann werden wir ihm sagen, daß er sein Wort zu halten hat. Howgh!“
Er wollte nach diesem bekannten Bekräftigungswort gehen, blieb aber nochmals stehen und fragte:
„Wohin werdet ihr uns bringen?“
„Darüber ist noch nichts beschlossen.“
„Welche Qualen werdet ihr unterwegs über uns verhängen?“
„Keine, denn ihr habt mich auch nicht gequält. Ihr werdet weder hungern noch dürsten, weil ich bei euch auch nicht gehungert oder gedürstet habe.“
„Werden wir unter eurer Bewachung frei reiten oder gehen können?“
„Nein, denn ich bin bei euch an Armen und Beinen gefesselt gewesen. Zum Essen wird man euch die Hände freigeben. Du siehst, daß sich alles belohnt und alles bestraft. Wer Gutes tut, wird Gutes ernten. Nun aber ist's genug; es mag nun endlich einmal zum Schluß kommen.“
Während die drei Alten ihren Rückweg fortsetzten, wurden dreißig Mimbrenjos bestimmt, den schon erwähnten Kreis, in welchem die Waffen niedergelegt werden sollten, zu bilden. Sie stellten sich wohlbewaffnet ungefähr fünfzig Schritt vom Lager auf, und kaum war dies geschehen, so kam der Sprecher als erster, um das Geforderte abzugeben. Ich stand dabei und ließ, um die Sache abzukürzen, schnell noch einige Mimbrenjos kommen, welche den Inhalt seiner Taschen zu untersuchen hatten. Als dies Winnetou sah, kam er mit noch einigen anderen herbei, um die Manipulation dadurch abzuschließen, daß der Alte gebunden und in das Gras gelegt wurde. So wurde jeder Nachfolgende erst entwaffnet, dann von mir auf den Inhalt seiner Taschen untersucht und nachher von Winnetou gefesselt. Das Entwaffnen ging sehr rasch. Das Fesseln ebenso. Die Yumas hatten selbst genug Riemen und Lassos bei sich. Schwerer aber war es, meines Amtes zu walten. Es war nicht leicht zu unterscheiden, ob ein Gegenstand von der Hazienda stammte oder das rechtmäßige Eigentum seines Trägers war, zumal sehr oft eine Sache, von welcher ich hätte beschwören mögen, daß sie auf der Hazienda geraubt worden sei, als Medizin bezeichnet wurde, und ich hatte ja versprochen, jedem seine Medizin zu lassen. Der ‚Starke Büffel‘ hatte nicht nur eine besondere Beaufsichtigung übernommen, sondern war bald da und bald dort, bald bei mir und bald bei Winnetou, um möglichst dahin zu wirken, daß die von ihm so grimmig gehaßten Yumas eine scharfe Behandlung erfuhren.
Ein großer Teil des Vormittags war vergangen, als wir endlich fertig waren. Die Yumas lagen gefesselt nebeneinander, wie Säcke auf einem Kartoffelacker. Die abgenommenen Waffen bildeten einen großen Haufen und sollten noch vor Mittag verteilt werden. Und von den Gegenständen, von denen ich glaubte, daß sie Eigentum des Haziendero gewesen seien, hatte ich auch eine leidliche Menge zusammenbekommen.
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