37 - Satan und Ischariot I
und auf die Straße setzt, wie er Ihren Gemahl in seine Matte zurückgebracht hat.“
Da klatschte sie in die Hände und rief ganz entzückt aus:
„Welch ein Abenteuer, von Winnetou getragen zu werden! Ganz Ures würde davon sprechen und mich beneiden! Ich werde es versuchen!“
„Und ich rate Ihnen ab, Señora. Auf den Händen getragen oder auf die Straße geworfen zu werden, ist zweierlei. Sehen Sie sich meinen roten Freund schweigend an, damit Sie ihn Ihren Freundinnen beschreiben können! Das ist der beste Rat, den ich ihnen geben kann. Wenn Sie aber wieder das Wort ergreifen, wird Ihnen die höchst interessante Gelegenheit, sich in seiner Nähe zu befinden, augenblicklich entgehen.“
Sie zündete sich eine neue Zigarette an und legte sich dann in ihrer Hängematte mit der Miene eines Menschen zurecht, welcher sich etwa im Zirkus befindet und das größte Wunder der Welt vorgeführt bekommt. Auch ihr löblicher Eheherr und Gatte schien, da er nun wußte, wer ihn so energisch expediert hatte, dies nicht übelzunehmen, sondern betrachtete den Häuptling mit sichtlicher Befriedigung. Was den Haziendero betrifft, so war ihm, wie auch den beiden anderen, der Name Old Shatterhand vollständig ‚Wurst und schnuppe‘; von Winnetou aber hatte er so viel gehört, daß der Name auch auf ihn die wünschenswerte Wirkung hervorbrachte. Er dachte nicht mehr daran, uns zum Fortgehen aufzufordern.
Es war keineswegs ein Wunder, daß mein Gefährte auch hier in Ures als eine Berühmtheit galt. Die Apachen kommen noch weit südlicher vor, besonders jenseits der Sierra in Chihuahua, wo sie sogar bis hinein ins Cohahuila schweifen, und das Winnetou von Zeit zu Zeit alle diese Stämme seiner Nation zu besuchen pflegte, so waren seine Taten bis soweit hinab bekanntgeworden, und zwar nicht nur unter den Roten, sondern auch bei den Weißen. Ja, der Nimbus, welcher um seinen Namen hing, war bei den letzteren ein noch größerer als bei den ersteren, und ich habe oft die Beobachtung gemacht, daß besonders die Damenwelt gern von ihm hörte. Er war nicht nur ein hochinteressanter, sondern auch ein schöner Mann, und die Sagen, welche sich an seine erste und auch einzige Liebe knüpften, waren allerdings imstande, ihm das Herz jeder Señora und Señorita zu gewinnen.
Sehr zufrieden mit dem Erfolg, den Winnetou durch sein plötzliches Eingreifen erzielt hatte, wendete ich mich an den Haziendero:
„Sie haben meine Fragen für höchst unnütz gehalten, Don Timoteo; dieselben waren aber für mich außerordentlich wichtig und werden für Sie sogleich ebenso wichtig sein. Die Yumaindianer haben Ihre Hazienda zerstört und Ihnen alles abgenommen. Ich denke, daß man sogar Ihre Taschen durchsucht und ihres Inhaltes entleert hat?“
„Allerdings. Die Roten haben sie vollständig leergemacht.“
„Auch Meltons Taschen?“
„Ja.“
„Wie hat er Ihnen dann zweitausend Pesos in schweren glänzenden Goldstücken auszahlen können?“
Der Gefragte zeigte ein höchst verblüfftes Gesicht und antwortete langsam und wie einer, der sich in Verlegenheit befindet:
„Ja – woher hat er – dieses Geld – dieses viele Geld – genommen?“
„Fragen Sie nicht so, sondern anders, nämlich: Warum haben die Indianer ihm dieses Geld nicht abgenommen, sondern es ihm gelassen?“
„Alle Wetter! An diese Frage habe und hätte ich nicht gedacht! Sie meinen, daß er das Geld bei sich gehabt hat?“
„Er oder einer von den beiden Wellers. Zweitausend Pesos in Goldstücken sind nicht vor Indianeraugen zu verbergen, und zugleich bilden sie für jeden Wilden, selbst wenn er der wohlhabendste Häuptling wäre, einen Reichtum, den er sich gewiß nicht entgehen läßt. Wenn der ‚Große Mund‘ auf die Goldstücke verzichtet hat, so muß es sich dabei um eine sehr seltene und sehr wichtige Ursache handeln. Können Sie sich vielleicht denken, was für eine das ist?“
„Nein.“
„Es gibt nur eine, eine einzige. Einem Fremden oder gar einem Feind läßt kein Roter einen solchen Schatz; Melton muß also ein guter Bekannter, ein Freund, ein Verbündeter des ‚Großen Mundes‘ sein.“
„Ich glaube es nicht.“
„Ich behauptete, daß die Roten kommen würden, um Ihre Hazienda zu überfallen, und warnte Sie; Sie glaubten mir nicht, ich aber hatte recht. Ebenso täusche ich mich auch jetzt nicht, obgleich Sie abermals der Ungläubige sind.“
„Melton hat so großmütig an mir gehandelt; es ist mir also ganz und gar unmöglich, anzunehmen,
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