37 - Satan und Ischariot I
er fort, ohne zu sagen, wohin; ich wußte jedoch, daß er den Mimbrenjo und die Pferde holen wollte. Bald kam er mit ihm zurück; natürlich brachten sie auch den Player mit. Dem Mimbrenjo brauchte ich nichts mitzuteilen, denn der Apache hatte ihn schon von dem Geschehenen unterrichtet.
Unsere Pferde wurden angebunden; dann erhielt unser junger, roter Begleiter die Anweisung, wie er sich als Wächter bei den Gefangenen zu verhalten hatte. Er mußte bei ihnen zurückbleiben, während ich mit Winnetou fortging, wohin und wozu, das war so selbstverständlich, daß weder von ihm noch von mir ein Wort darüber verloren wurde. Es handelte sich nämlich darum, die beiden Yumas, welche von hier als Boten nach der Fuente gesandt worden waren und deren Rückkehr bald in Aussicht stand, unterwegs abzufangen, noch ehe sie den Lagerplatz am Tümpel erreichten. Hätten wir sie dort erwarten wollen, so konnten sie, wenn sie uns eher bemerken als wir sie, uns leicht entgehen und sogar gefährlich werden.
Wir drangen natürlich nicht in den dichten Wald ein, sondern gingen den Weg, auf welchem die Erwarteten kommen mußten. Die Gewehre hatten wir zurückgelassen, da dieselben bei der Art, in welcher wir die Yumas in unsere Gewalt bringen wollten, uns nur belästigen konnten.
Unser Weg bestand in einem von der Natur geschaffenen dünnen, lichten Streif, welcher sich jenseits durch den Wald von der Höhe niederzog und unten auf offenes Land führte. Da, wo der Wald zu Ende ging, verbargen wir uns unter den Bäumen. Es wollte Abend werden, und wir hatten uns also mehr auf unsere Ohren als auf unsere Augen zu verlassen.
Winnetou hatte, seit er von mir verhindert worden war, die Polizisten niederzuschlagen, kein Wort mit mir gesprochen; jetzt endlich fragte er, als wir so wartend da saßen:
„Ist mein Bruder Old Shatterhand zornig auf mich, daß ich den Bleichgesichtern den Kolben auf die Köpfe gegeben habe?“
„Nein“, antwortete ich. „Der Häuptling der Apachen hat mir ganz aus der Seele gehandelt.“
„So können eben nur Weiße sein. Ein roter Krieger, selbst wenn er bisher mein gefährlichster Feind gewesen wäre, würde mir, wenn ich ihn von solchen Banden befreite, fortan sein Leben schenken. Alles, was er besitzt, wäre auch mein Eigentum. Die Bleichgesichter aber haben nur schöne Worte und böse Taten. Was soll mit den Undankbaren geschehen?“
„Was Winnetou über sie bestimmt.“
Da er nichts sagte, schwieg auch ich. Es wurde dunkel, und wir lauschten aufmerksam in die Ferne. Die Boten waren in einem längeren Zwischenraum von hier fortgeritten, dennoch stand zu erwarten, daß sie miteinander zurückkehren würden. Diese Vermutung bestätigte sich, denn als wir endlich Huftritte hörten, waren es die von zwei Pferden, nicht von einem einzelnen. Wir verließen unser Versteck und traten an den Weg. Sie waren schon sehr nahe, doch bei der jetzigen Dunkelheit konnten wir sie noch nicht sehen; aber wir hörten, daß sie nebeneinander ritten.
„Winnetou mag den nehmen, welcher auf dieser Seite reitet“, flüsterte ich. „Ich nehme den drüben.“
Darauf huschte ich auf die andere Seite des Weges hinüber. Sie kamen; sie sahen uns nicht und wollten vorüber; aber die Pferde bemerkten uns mit ihren schärferen Sinnen; sie schnaubten und weigerten sich, weiterzugehen. Wären Winnetou und ich an ihrer Stelle gewesen, so hätten wir Verdacht geschöpft und unsere Tiere augenblicklich herumgerissen und, eine Strecke zurückgekehrt, zu Fuß uns heimlich wieder herangeschlichen, um die Stelle zu untersuchen. Die Indianer aber waren entweder keine erfahrenen und vorsichtigen Leute, oder sie fühlten sich so sicher in der abgelegenen Gegend, daß sie die Gegenwart eines menschlichen Feindes für unmöglich hielten und vielmehr glaubten, daß das Scheuen ihrer Pferde auf der Anwesenheit irgendeines wilden Tieres beruhe. Sie erhoben ihre Stimmen, um dasselbe durch ihr Geschrei zu vertreiben. In diesem Augenblick trat ich einige Schritte weit hinter das Pferd desjenigen, welcher auf meiner Seite hielt, nahm einen Anlauf und sprang hinter ihm auf, nahm ihn mit der Linken bei der Gurgel und riß ihm mit der Rechten die Zügel aus der Hand. Er vergaß das Schreien und sein Kamerad auch, denn Winnetou hatte mit diesem ganz in derselben Weise gehandelt. Die Kerls waren so erschrocken, daß sie an keinen Widerstand dachten, wenigstens für den Augenblick, und als sie zum Bewußtsein ihrer Lage kamen, war es zu spät, denn wir
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