37 - Satan und Ischariot I
natürlich auf den betäubten Indianer, da er diesen nicht zu fürchten brauchte, und rief, indem er ihm die Riemen mit dem Eifer eines Henkers um die Hände und Füße schlang:
„Ja, gefesselt soll er werden, gebunden und erschlagen wie ein toller Hund, der Schuft, der Schurke! Ich werde ihn in Ketten und Banden nach Ures bringen, damit man dort sieht, daß ich als Sieger mit den wildesten Bestien des Gebirges in ritterlichem Kampf gestanden habe. Ich kehre als Sieger heim; wer kann mir widerstehen!“
Auch diese Prahlerei war eigentlich lächerlich, doch ärgerte sie mich, da der Mann von seinem Ruhm sprach, ohne ein Wort für seine Retter zu haben. Darum fuhr ich ihn nicht eben höflich an:
„Schweig, Prahlhans! Wer hat den Yuma niedergeworfen, Sie oder ich? Bedanken Sie sich gefälligst bei mir!“
Da richtete er sich auf und antwortete in halb beleidigtem und halb vorwurfsvollem Ton:
„Señor, ich bin – – – nun, Sie wissen doch, was ich bin, und haben nur getan, was Ihre Schuldigkeit war; das will ich freundlich anerkennen, aber mich dafür bedanken, das habe ich nicht nötig. Nicht wahr, Don Timoteo?“
„Sehr richtig, sehr richtig!“ nickte der edle Haziendero. „Wir sind selber Manns genug und brauchen keinen, der nichts anderes weiß, als sich nur immer in unsere Angelegenheiten zu mischen!“
Das war wirklich stark! Es zuckte mir in den Fäusten. Was hatte ich nicht für diesen ‚Don‘ getan! Ich mußte wirklich meine ganze Selbstbeherrschung zusammennehmen, um mich ohne die gehörige Antwort abwenden zu können; aber es gab einen Anwalt für mich, welcher die Nichtswürdigkeit ebenso fühlte wie ich und in diesem Fall aber weniger Geduld besaß als ich. Kaum waren die Worte gesprochen und kaum hatte ich mich umgewendet, so hörte ich hinter mir zwei Schläge. Mich rasch wieder umdrehend, sah ich den Haziendero und den ‚Jurisconsulto‘ am Boden liegen. Winnetou hatte sie mit dem Kolben seines Gewehres niedergeschlagen und holte schon wieder aus, dasselbe auch mit den Polizisten zu tun, welche vor Schreck über seine blitzschnelle Tat nicht an Flucht oder Gegenwehr dachten.
„Halt, diese nicht!“ rief ich, indem ich ihm ins Gewehr fiel. „Sie können nichts dafür.“
Er ließ den Kolben sinken und antwortete in seinem entschlossensten Ton, indem seine Augen Blitze sprühten:
„Gut, mein Bruder will es so. Sie sollen also verschont bleiben, aber nur dann, wenn sie sich wieder an die Bäume binden lassen, sonst zerschmettere ich ihnen die Köpfe!“
Zugleich stellte er sich zwischen sie und den Haufen, auf welchem nebst den ihnen abgenommenen anderen Sachen auch ihre Gewehre lagen. So zornig, wie in diesem Augenblick, hatte ich den Apachen noch nie gesehen. War es ein wirklich furchterweckender Anblick, oder war es die Folge alles dessen, was in den letzten zehn Minuten so Außergewöhnliches geschehen war, der eine Polizist trat vor, streckte mir seine Hände hin und sagte:
„Ja, binden Sie uns, Señor; wir weigern uns nicht, es geschehen zu lassen! Ich weiß, Sie werden uns nichts tun, sondern es geschieht nur, um den beiden undankbaren Señores zu zeigen, mit wem sie es zu tun haben. Hoffentlich sind sie nicht tot; ich aber glaube, Ihnen unsere Dankbarkeit am besten dadurch beweisen zu können, daß wir uns in Ihre Forderung fügen.“
„Gut! Um Ihres Vorgesetzten willen muß ich auch Sie binden; er könnte Sie sonst auffordern, ihn freizumachen; Sie müßten gehorchen, und ich würde das nicht dulden. Kommen Sie also her; Sie werden bald wieder frei sein!“
Wo Indianerpferde sind, hat man zum Riemen niemals Not. Die drei Polizisten waren gezwungen gewesen, ihrem Vorgesetzten trotz dessen Unfähigkeit in die Berge zu folgen; sein Ungeschick hatte sie in die Gefangenschaft der Roten gebracht, aus welcher wir sie befreit hatten. Sie wären uns dafür gern auch in Worten dankbar gewesen, hatten aber bei dem Verhalten ihres Herrn nicht gewagt, dies zu tun, und waren, wie ich jetzt sah, empört darüber. Jedenfalls gönnten sie ihm den Kolbenhieb und hielten es nur infolge ihrer Stellung für geraten, das, was ihn von uns erwartete, auch mit über sich ergehen zu lassen. Sie wurden von mir angebunden, denn Winnetou gab sich nicht dazu her; er hätte sich gar nichts daraus gemacht, wenn der Haziendero und der Jurisconsulto tot gewesen wären. Glücklicherweise aber lagen sie nur in tiefer Ohnmacht. Während ich sie zu den Bäumen zog, um sie dort wieder zu fesseln, ging
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