37 - Satan und Ischariot I
ankamen, standen unsere Pferde noch genau da, wo wir abgestiegen waren, dasjenige von Winnetou hinter dem meinigen. Wellers Pferd war vorwärts gelaufen und wurde von einigen Mimbrenjos, welche uns nachgeritten waren, herbeigeholt. Die Freude des Haziendero, als wir den Ergriffenen brachten, war groß und machte sich in dem Jubelruf Luft:
„Sie haben ihn! Sie bringen ihn! Das ist prächtig; das ist herrlich! Nun soll er den Schlag, den er mir mit dem Gewehr gegeben hat, sogleich wiederbekommen!“
Er wollte ihm einen Hieb versetzen; ich stieß ihn aber zurück und sagte:
„Laßt das sein, Señor! Sie haben eine Dummheit begangen, als Sie ihm entgegengingen. Dadurch wurde er auf uns aufmerksam und wäre uns beinahe entflohen. Das richtige war, still zu sein und ihn ganz herbeizulassen.“
„Sie scheinen ein Gaudium daran zu finden, andere Leute immer nur zu tadeln! Sie sind ein – – –“
Er wollte wahrscheinlich grob werden; ich unterbrach ihn aber in scharfem Tone:
„Schweigen Sie auf der Stelle, sonst –“
Ich hatte im Ärger wirklich den Arm erhoben. Da fuhr er erschrocken zurück und retirierte hinter einen Wagen, wo der liebe Jurisconsulto sich zu ihm gesellte und sie sich dann wahrscheinlich ihre Not klagten. Verkannte Genies haben ja immer zu klagen.
Winnetou hatte den Gefangenen indessen an eine Deichsel binden lassen. Die Mimbrenjos umringten ihn und schimpften auf ihn ein. Ich trieb sie zurück, denn was ich mit ihm zu sprechen hatte, brauchten sie nicht zu hören. Nur Winnetou blieb da, um meinem Versuch, dem Gefangenen etwas zu entlocken, beizuwohnen.
Letzterer zeigte ein finsteres, verschlossenes Gesicht und hielt die Augen zu Boden gesenkt. Ich erwartete keineswegs, daß er mir ein umfassendes Geständnis ablegen werde, glaubte aber, ihm doch wenigstens einige Äußerungen zu entlocken, aus denen ich einige Schlüsse ziehen könnte.
„Sie sind erst seit wenigen Minuten bei uns, Señor Weller“, sagte ich, „und haben also noch nicht Zeit gefunden, über Ihre Lage nachzudenken; ich will Ihnen lieber gleich sagen, daß dieselbe eine gefährliche ist. Es handelt sich um Tod oder Leben. Die Entscheidung wird sich nach Ihrem Verhalten richten. Sagen Sie mir, warum Sie so unvorsichtig gewesen sind, Almadén zu verlassen und uns in die Hände zu reiten!“
Es dauerte eine ganze Weile, ehe er antwortete. Er überlegte wahrscheinlich, ob er überhaupt reden solle oder nicht, und wenn geantwortet werden mußte, wieweit er dann mit seinen Worten gehen dürfe. Als er mit sich ins reine gekommen war, erwiderte er:
„Ich erhielt den Befehl dazu von Señor Melton.“
„So muß Ihr Ritt einen Zweck gehabt haben?“
„Einen doppelten sogar! Wir warten auf die Wagen, bei denen wir uns jetzt befinden; sie kamen nicht, und so mußte man sehen, welche Ursache die Verzögerung haben möge.“
„Das war der eine Zweck. Nun der andere?“
Er öffnete schon die Lippen zur Antwort, schloß sie aber wieder. Wahrscheinlich hatte er vorhin mehr gesagt, als er jetzt gutheißen konnte. Endlich antwortete er:
„Das ist etwas, was Sie nicht interessiert.“
„Oh, ich gestehe Ihnen, daß mich alles, was Sie betrifft, aufs höchste interessiert; habe ich doch die Erfahrung gemacht, daß Sie meiner Person ein gleich großes und gleich eifriges Interesse zuwenden. Bei dieser Gegenseitigkeit der Teilnahme halte ich es für meine Pflicht, mich nach Ihrem und Ihrer Freunde Befinden zu erkundigen. Wie geht es in Almadén? Sind die Arbeiter schon unter die Erde gebracht?“
„Ja“, entfuhr es ihm wohl wider Willen.
„Arbeiten sie schon?“
„Nein.“
„Ich verstehe; sie müssen erst zahm gemacht und an die quecksilberhaltige Schachtluft gewöhnt werden. Hunger und Durst tun weh; diese beiden Mittel werden sie schon willig machen.“
Da er schwieg und mir nicht widersprach, so durfte ich annehmen, das Richtige getroffen zu haben, und fuhr fort:
„Wie gefällt Ihnen Ihre Wohnung da oben? Sie liegt ungemein versteckt, und da ich beabsichtige, Sie dorthin zurückzubringen, liegt es in Ihrem Interesse, mir sie und ihre Lage zu beschreiben.“
Jetzt antwortete er schnell, ja augenblicklich:
„Das kann mir nicht einfallen.“
„Das werden wir sehen. Sind Sie allein von Almadén fort?“
„Ja“, antwortete er ebenso rasch.
„Ich erinnere mich aber, gesehen zu haben, daß Sie einen Wink nach rückwärts gaben?“
„Das kann nur Täuschung gewesen sein. Vielleicht habe ich irgendein
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