37 - Satan und Ischariot I
Sorge um mich, Señor! Sie sehen gefährliche Elefanten, wo es nicht die unschädlichste Mücke gibt.“
„Aber jener Weller, der Kajütenwärter?“
„Heißt Weller und ist Kajütenwärter, weiter nichts!“
„Und seine Unterredung mit dem Mormonen?“
„Haben Sie falsch gehört. Ihre Phantasie hat unbegreifliche Ohren!“
„Und sein Vater, welchen der Mormone im Gebüsch aufsuchte?“
„Existiert eben auch nur in Ihrer Einbildung. Daß er Weller senior sei, vermuten Sie ja nur!“
„Und die Anwesenheit des Indianerhäuptlings?“
„Wird sich als ein höchst einfacher und unbedenklicher Umstand oder Zufall herausstellen.“
„Dann aber meine Begegnung mit dem Häuptling der Yuma und dem Weißen, dessen Gewehr mit RW gezeichnet ist?“
„Geht mich nichts an, gar nichts. Es gibt tausend Namen, welche mit dem Buchstaben W beginnen. Warum muß es da gerade Weller sein! Was hatten Sie sich überhaupt in dem Kampf zu mischen? Die Sache ging Sie gar nichts an. Danken Sie Gott, daß Sie so heiler Haut davongekommen sind! Ein Escritor ist nicht der Mann, mit Indianern zu kämpfen. Das soll er uns überlassen, die wir in wilder Gegend wohnen, die Roten kennen und mit den Waffen umzugehen verstehen!“
Ich nahm an, daß der Haziendero den Namen Old Shatterhand nicht kannte, und hatte denselben darum während meiner Erzählung nicht erwähnt. Jetzt, wo ich geradezu ausgelacht wurde, fiel es mir auch nicht ein, das Unterlassene nachzuholen, denn es war zehn gegen eins zu wetten, daß er mir auch da keinen Glauben schenken würde. Er war ein körperlich schöner, geistig aber sehr gewöhnlicher Mann, dem meine ganz logischen Schlüsse als Phantastereien erschienen. Ich sah ein, daß es mir nicht gelingen werde, sein Vertrauen zu Melton zu erschüttern, und daß ihm die Richtigkeit meiner Vermutungen nicht durch Worte, sondern nur durch Ereignisse zu beweisen sei. Darum gab ich es auf, ihn zu meinen Ansichten zu bekehren, und wiederholte nur meine Bitte um Verschwiegenheit, welche er, wieder unter Lachen, mit der Versicherung beantwortete:
„Was das betrifft, so brauchen Sie sich nicht bange sein zu lassen, denn ich habe keine Lust, mich zu blamieren. Señor Melton würde mich für verrückt halten, da er unmöglich glauben könnte, daß ich eine solche Dummheit einem anderen nachsprechen würde; er müßte also annehmen, daß dieselbe in meinem eigenen Kopf entstanden sei. Ich werde also über alles schweigen. Nur über eins muß ich noch mit Ihnen sprechen. Wie steht es mit Ihrer Anstellung als Buchhalter? Melton hat Sie Ihnen wirklich versprochen?“
„Ja.“
„Unglaublich, geradezu unglaublich! Er weiß ja ebensogut wie ich, daß ich keinen Buchhalter brauche.“
„So hat er nur die Absicht gehabt, mich mit diesem Versprechen hierher zu locken!“
„Wozu? Was sollten Sie hier?“
„Weiß ich es?“
„Da haben Sie es! Sie haben nur Behauptungen, aber kein Wissen. Ich nehme an, daß dieser Buchhalter eben auch nur in Ihrer Phantasie existiert.“
„Damit erklären Sie mich für einen verrückten Menschen, Don Timoteo!“
„Nun, für verrückt halte ich Sie nicht, aber irgendein Rädchen geht in ihrem Kopf schneller als es eigentlich laufen sollte. Ich gebe Ihnen den Rat, sich in einer Heilanstalt unterbringen zu lassen, denn vielleicht ist es jetzt noch Zeit, das übrige Räderwerk zu retten.“
„Danke, Don Timoteo! Der Kopf arbeitet bei dem einen ganz naturgemäß schneller als bei dem anderen, woraus die komische Situation erfolgen kann, daß dieser andere dem einen allzu große Phantasie und dieser eine dem anderen allzu große Denkfaulheit vorwirft. Auf den Buchhalter verzichte ich. Es ist überhaupt von vornherein nicht meine Absicht gewesen, auf diese Anstellung zu reflektieren.“
„Das ist mir lieb, Señor, denn da Sie von Denkfaulheit reden, sehe ich ein, daß Sie möglichst schlecht zu mir gepaßt hätten. Wann reisen Sie wieder ab?“
„Mit Ihrer Erlaubnis morgen früh.“
„Ich geben Ihnen diese Erlaubnis schon heute, gleich in diesem Augenblick.“
„Das heißt, Sie weisen mich zu Ihrem Tor hinaus?“
„Nicht nur zum Tor hinaus, sondern über meine Grenze.“
„Don Timoteo, das ist eine Härte, welche allen Gepflogenheiten des Landes widerspricht!“
„Tut mir leid! Sie selbst sind schuld daran! Diese scheinbare Härte ist nichts als eine Vorsichtsmaßregel, welche Ihnen beweisen kann, daß ich denn doch nicht so denkfaul bin, wie Sie angenommen haben. Sie
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