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37 - Satan und Ischariot I

37 - Satan und Ischariot I

Titel: 37 - Satan und Ischariot I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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außerhalb auf ihn warten. Da schüttelte ich denn doch mit dem Kopf und entgegnete ihm:
    „Ich gehöre nicht zu einer Gesellschaftsklasse, deren Angehörige man vor den Türen herumlungern läßt. Ich gehe mit Ihnen hinein, und Sie werden mich sogar vorantreten lassen.“
    Bei diesen Worten schritt ich durch die Tür, und er folgte hintendrein, ohne ein Wort zu sagen. Als ich mich dann nach ihm umblickte, sah ich, daß auf seinem Gesicht der Zorn mit der Verblüfftheit kämpfte. Er winkte nach einer Tür und verschwand hinter derselben, während ich vor derselben stehenblieb. Nach kurzer Zeit kam er heraus und gab mir durch eine Handbewegung zu verstehen, daß ich eintreten solle.
    Der Flur des Hauses war niedrig, aber breit. Die Türen, welche ich zu beiden Seiten desselben sah, waren aus glattgehobelten Brettern zusammengefügt und nicht mit einem Farbanstrich versehen, einfache Stalltüren nach unseren Begriffen. Ganz dieselbe Einfachheit wies das Zimmer auf, in welchem ich mich nun befand. Es hatte zwei sehr kleine Fenster mit schmutzigen, halb erblindeten Scheiben, die einzigen Glastafeln, welche es im Haus gab. An der Wand stand ein gefirnißter Tisch. Drei rohe Stühle, welche sicherlich kein Kunsttischler zusammengefügt hatte, leisteten ihm Gesellschaft. In einer Ecke hing eine Hängematte. Drei der mit Kalk getünchten Wände waren vollständig kahl; an der vierten hingen verschiedene Waffen. Viel weniger anspruchslos war das Äußere des Mannes, welcher sich bei meinem Eintritt von einem der Stühle erhob, um mich aus seinen dunklen Augen halb erstaunt und halb neugierig zu betrachten. Er war so elegant gekleidet, daß er nur zu Pferde zu steigen brauchte, um sich auf einem der berühmten Spaziergänge der Hauptstadt Mexiko bewundern lassen zu können.
    Sein Anzug bestand aus dunklem Samt und war an allen Nähten mit goldenen Borten und Schnüren verbrämt. Sein Gürtel war durchweg aus breiten, silbernen Ringen zusammengesetzt und trug ein Messer und zwei mexikanische Pistolen, deren Griffe eine teure, eingelegte Arbeit zeigten. Der breitkrempige Hut, welcher auf dem Tisch lag, war aus den feinsten Carludovica palmata-Blättern gefertigt und von so künstlichem Geflecht, daß er sicherlich nicht unter fünfhundert Mark gekostet hatte, und die beiden Sporen an den Füßen des Haziendero trugen Räder, welche aus nordamerikanischen goldenen Zwanzigdollarstücken gezahnt worden waren.
    Einer solchen eleganten Erscheinung gegenüber mußte ich allerdings wie ein Vagabund aussehen. Darum wunderte ich mich auch gar nicht, als der Haziendero sich mit der wohlgepflegten Hand den tiefschwarzen Vollbart strich, die Brauen zusammenzog und dann, nicht wie zu mir, sondern zu sich selbst, im Ton der Verwunderung sagte:
    „Man meldet mir einen Tenedor de libros, und wer kommt da herein? Ein Mensch, der – – –“
    „Der ganz wohl imstande ist, die Stelle eines Tenedor de libros auszufüllen, Don Timoteo“, unterbrach ich ihn.
    Sein aufgedunsener ‚Señor Adolfo‘ draußen hatte grob sein können, ohne mich dadurch zu beleidigen; aber von dem Besitzer selber durfte ich keine Unhöflichkeit dulden. Darum fiel ich ihm mit diesen nachdrucksvoll betonten Worten in die Rede. Er warf in scherzhaftem Schreck den Kopf zurück, musterte mich noch einmal und meinte dann mit einem Lächeln der Belustigung:
    „Ah, man ist empfindlich. Wer und was ist man denn eigentlich?“
    Er redete mich mit dem unbestimmten Fürwort ‚man‘ an. Sollte ich mich da beleidigt zeigen? Er sah nicht wie ein Geldprotz, sondern viel eher wie ein jovialer, gutsituierter Caballero aus, welcher geneigt ist, sich mit einer gewöhnlichen Person ein wenig die Zeit zu vertreiben.
    „Man ist vieles, wovon Sie keine Ahnung haben, Don Timoteo“, antwortete ich mit genau demselben Lächeln, welches er mir gezeigt hatte, „und man kann so ein bedeutender und wichtiger Mann für Sie werden, daß Sie alle Ursache haben, sich dazu, daß man zu Ihnen gekommen ist, Glück zu wünschen.“
    „Cielo!“ lachte er jetzt laut. „Kommt man etwa, mir anzuzeigen, daß ich als Beherrscher von ganz Mexiko ausgerufen worden bin?“
    „Ganz das Gegenteil. Ich komme, Ihnen zu sagen, daß Sie in kurzer Zeit höchstwahrscheinlich nicht mehr der Beherrscher Ihrer kleinen Hazienda sein werden.“
    „Schön!“ lachte er noch immerfort, indem er sich wieder niedersetzte und auf den zweiten Stuhl deutete. „Man setze sich! Aus welchem Grund wollen meine paar

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