37 - Satan und Ischariot I
verbreiten, bemerkbar. Bohnen sind ein Lieblingsgericht des Mexikaners, und auch die Indianer Mexikos essen sie gern. Daß aber hier im wilden Wald welche gekocht wurden, war auffällig. Bohnen als Proviant auf einem Kriegszuge der Indianer! Dazu gehörten Kessel, Töpfe und auch andere Gefäße und Utensilien, ein Beweis, daß bei diesem Raubzug nicht bloß Indianer im Spiel waren.
Wir kamen nun so nahe, daß wir nicht nur den Brandgeruch, sondern den wirklichen Rauch in die Nase bekamen, und sahen dann das, was wir gesucht hatten, vor uns liegen. Eigentlich sahen wir mehr, als wir gesucht hatten. Ich hatte einen Trupp von Indianern erwartet, frei im Wald liegend; hier aber befand sich ein richtiges, wohlgeordnetes Lager mit Zelten und allen anderen Bequemlichkeiten, welche der Rote sich gewährt, solange er sich sicher fühlt.
Wir zählten wohl an die zwanzig Zelte, alle aus starker, grober Leinwand bestehend und mehr oder weniger zerrissen oder ausgebessert. Das Häuptlingszelt, an drei Adlerfedern kenntlich, stand in der Mitte. Vor demselben waren Stangen errichtet, an denen über sechs Feuern ebenso viele eiserne Kessel hingen, in denen sie Bohnen kochten. Ein mehr seitwärts stehendes, niedriges Zelt schien als Vorratsraum zu dienen. Die Roten lagen in und neben ihren Zelten oder saßen in Gruppen beisammen. Mehrere bedienten die Kessel, deren Inhalt sie rührten, damit er nicht anbrennen solle.
„Da“, flüsterte der Knabe mir zu, „da sind sie, im zweiten Seitental, ganz so, wie Old Shatterhand vermutete. Soll ich sie zählen?“
„Nein, denn das ist jetzt unmöglich, da viele in den Zelten stecken. Aber zähle die Pferde! Sie befinden sich jedenfalls weiter aufwärts, da wir sie abwärts nicht gesehen haben.“
„Soll ich gehen?“
„Ja, doch nimm dich in acht!“
Ich ließ ihn allein fort, weil es ihm große Genugtuung gewährte, sich selbständig bewegen zu dürfen und das Vertrauen zu genießen, welches man sonst nur einem erfahrenen Krieger schenkt. Als er nach einiger Zeit zurückkehrte, öffnete und schloß er die Hände, um mir durch die Zahl der Finger diejenige der Pferde deutlich zu machen und sagte:
„Ich sah zweimal fünfmal zehn Pferde und noch drei dazu.“
Kein Naturindianer kann so wie wir bis hundert zählen. Die höchste Zahl ist bei vielen Stämmen die Zehn, bei manchen sogar nur die Fünf; daher die Ausdrucksweise meines Mimbrenjoknaben. Er hatte hundert und drei Pferde gezählt. Da sich unter denselben eine Anzahl Packpferde befanden, so konnte man auf ungefähr neunzig Indianer schließen. Squaws gab es nicht; es waren nur Krieger vorhanden, und diese waren, wie es den Anschein hatte, durchgängig mit Gewehren bewaffnet.
Trotz dieser bedeutenden Anzahl herrschte die größte Stille im Lager; man fühlte sich zwar sicher, ließ aber die nötige Vorsicht nicht außer acht. Jetzt sah ich einen der an den Kesseln beschäftigten Männer in das Häuptlingszelt treten. Er meldete wahrscheinlich, daß das Essen fertig sei, denn als er wieder herauskam, klatschte er einigemal in die Hände und rief mit lauter Stimme:
„Miuschyam, ma – – – kommt herbei, das Essen ist fertig!“
Die in den Zelten befindlichen Indianer kamen mit ihren Näpfen heraus; die anderen eilten hinein, sich die ihrigen zu holen; alle gingen nach den Feuern, um die Näpfe füllen zu lassen. Nur zwei taten das nicht. Sie fühlten sich zu vornehm, an der allgemeinen Speisung sich zu beteiligen. Die beiden waren der ‚Große Mund‘ und ein Weißer, welche aus dem Zelt des Häuptlings getreten waren und nun vor demselben standen, um die bewegte Szene vor sich zu beobachten. Wer der Weiße war, konnte ich nicht gleich sehen, weil er mir den Rücken zukehrte; später, als er eine Wendung machte, erkannte ich in ihm – – – den jungen Weller, unseren früheren Kajütenwärter.
So hatten meine Vermutungen also überall das Richtige getroffen, und es fragte sich nur, wo sich sein Vater befand. Hier im Lager jedenfalls nicht, sonst hätte er sich jetzt mitsehen lassen.
Die Speisung der neunzig war binnen drei Minuten vorüber; dann begann das faule Lungern von neuem. Wir beobachteten das Lager noch längere Zeit und bemerkten kein Anzeichen, welches erraten ließ, daß noch heute irgendein Unternehmen im Plan sei. Später kam der Häuptling wieder mit Weller aus dem Zelt. Auf einen Wink des letzteren wurde ein Pferd gebracht, welches er, wie ich sah, besteigen wollte.
„Komm!“ raunte ich dem
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