Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
37 - Satan und Ischariot I

37 - Satan und Ischariot I

Titel: 37 - Satan und Ischariot I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
dem Betreffenden eine Frist geboten, welche er, wenn er ein unternehmender Mann ist, zur Flucht benutzen kann. Das ist doch immerhin besser, als an Ort und Stelle erschossen zu werden.
    Als dem Mörder des ‚Kleinen Mundes‘ war mir jedenfalls ein sehr grausamer Tod zugedacht; auch verstand es sich von selbst, daß der ganze Stamm mich sterben sehen mußte; aus diesen beiden und noch anderen Gründen, welche ich unerwähnt lassen kann, war es nicht nur wahrscheinlich, sondern gewiß, daß ich jetzt für mein Leben nichts zu befürchten hatte. Ebenso wußte ich, daß man größere Mißhandlungen unterlassen würde, weil ich durch dieselben die Befähigung verlieren mußte, den weiten Ritt nach dem Ort, an welchem der Stamm sich befand, mitzumachen. In Beziehung auf Leib und Leben war ich also jetzt gar nicht oder nur wenig gefährdet.
    Als man mich vor den Häuptling stellte, war auf seinem Gesicht der Ausdruck tödlichen Hasses und unerbittlicher Rachsucht zu lesen. Er spuckte mich an und betrachtete mich mit finsterem und dabei stechendem Blick, ohne jetzt ein Wort zu sagen. Weller junior aber redete mich in höhnischem Ton an:
    „Willkommen, Sir! Ich freue mich sehr, Euch wiederzusehen. Ihr habt Euch während der Zeit, in welcher ich nicht das Glück hatte, Euch bedienen zu dürfen, als Old Shatterhand entpuppt und Euch alle Mühe gegeben, uns hinderlich zu sein. Jetzt seid Ihr kaltgestellt, und ich bin neugierig, wie Ihr diesmal Euern Ruf bewahren und wie Ihr es anfangen werdet, dem Martertod, welcher Euch droht, zu entrinnen.“
    Es fiel mir nicht ein, dem Menschen eine Antwort zu geben, obgleich ich ihm gerade seines Hohnes wegen gern gesagt hätte, daß es mir ganz und gar nicht einfalle, mich für verloren zu halten. Dies war auch wirklich der Fall. Ich war bei den nördlichen Sioux und bei den südlichen Comanchen, auch bei den Krähen- und Schlangenindianern gefangen gewesen und hatte mich immer glücklich aus der Schlinge gezogen, und da die armseligen Yumas mit den genannten Stämmen in keiner Beziehung zu vergleichen sind, sondern tief unter denselben stehen, so mußte es, wie man sich auszudrücken pflegt, geradezu mit dem Kuckuck zugehen, wenn es mir nicht gelingen sollte, ihnen ein Schnippchen zu schlagen. Harry Melton, der Mormone, war weit mehr zu fürchten als sie. Wenn es ihm einfiel, mich von ihnen zu reklamieren und sie darauf eingingen, so war ich verloren. Ich war aber überzeugt, daß es dem Häuptling nicht einfallen würde, mich ihm auszuliefern. Der junge Weller aber galt für mich gleich Null. Seine Anrede an mich war frech und lächerlich zugleich; dies mochte der Häuptling fühlen, denn er wies ihn in keineswegs hochachtungsvollem Ton zurecht:
    „Sei still! Deine Rede ist wie ein Halm, welcher keine Körner trägt, und wie ein Wasser, in welchem es keine Fische gibt. Vor dir würde sich der Gefangene wohl nicht fürchten. Ich weiß, daß es aller unserer Augen und Arme bedarf, ihn festzuhalten. Er soll uns aber nicht entkommen, sondern viele Tage lang am Marterpfahl hängen, weil er meinen Sohn getötet hat.“
    Weller hatte englisch zu mir gesprochen, und ich war ziemlich erstaunt darüber, daß der ‚Große Mund‘ ihn verstand und sich zu seiner Antwort sogar jenes Gemisches von Englisch, Spanisch und Indianisch bediente, welches im Verkehr mit den Roten am Rio Grande und Rio Pecos gesprochen zu werden pflegt. Dann wendete er sich an seine Leute, welche in einem mehrfachen Halbkreis um uns standen:
    „War es Old Shatterhand, welcher sich an uns geschlichen hatte?“
    „Nein“, antwortete einer.
    „Nicht? Wer denn sonst?“
    „Ein Roter, ein Knabe, so jung, daß er wohl noch keinen Namen hat.“
    „Wie ist sein Aussehen?“
    Der Krieger, welcher geantwortet hatte, beschrieb meinen kleinen Gefährten.
    „Uff!“ rief da der Häuptling. „Es ist einer der Mimbrenjoknaben, welche mir entkommen sind, weil Old Shatterhand sie verteidigte. Er muß auch mit an den Marterpfahl. Bringt ihn herbei!“
    „Wir können ihn nicht bringen, denn es ist uns nicht gelungen, ihn zu ergreifen“, antwortete der Mann kleinlaut.
    „Wie?“ fragte der ‚Große Mund‘ im zornigen Erstaunen. „Ihr seid so viele erwachsene Männer; ihr nennt euch Krieger, und ein Kind, so klein und jung, daß es nicht einmal einen Namen hat, ist euch entschlüpft? Soll ich das glauben?“
    Der Rote schlug die Augen nieder und antwortete nicht; die anderen standen ebenso verlegen da, deshalb fuhr der

Weitere Kostenlose Bücher