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37 - Satan und Ischariot I

37 - Satan und Ischariot I

Titel: 37 - Satan und Ischariot I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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vergeblich! Die Zeit verging; die Dunkelheit begann zu weichen; der Tag graute schon. Da hörte ich ein fernes Klingen; so weit es von mir war, ich kannte es doch; es war das Angriffsgeheul der Indianer. Hätte ich jetzt fortgekonnt, es wäre doch zu spät gewesen; ich hätte nicht ein einziges Menschenleben retten können.
    Die Gefühle, welche sich meiner bemächtigten, lassen sich nicht beschreiben. Ich geriet in einen solchen Zustand der Wut, daß ich alle meine Selbstbeherrschung zusammennehmen mußte, scheinbar ruhig bleiben zu können. Meine Wächter lachten sich mit teuflischem Grinsen an; ich hätte sie erwürgen können, trotzdem ich sonst nicht gern eines Menschen Gegner bin. Ich lauschte ebenso angestrengt wie sie. Das Geheul wiederholte sich. Es war kein Wut-, sondern ein Siegesgeheul. Die Roten hatten keinen Widerstand gefunden; der Überfall war gelungen.
    Wir warteten eine Stunde und noch eine, ohne daß ein Bote kam. Es wollte wohl keiner von der Hazienda fort, weil es jetzt jedenfalls ans Plündern ging. Endlich, nach drei vollen Stunden, kam ein Yuma gejagt. Er meldete voller Freude, daß alles aufs beste gelungen sei und daß die fünf mit mir nachkommen sollten. Die Packpferde wurden beladen, und wir ritten weiter. Im Wald kamen wir an dem jungen Weller vorüber, welcher hier zurückgeblieben war, um auf der Hazienda nicht gesehen zu werden und doch so nahe zu sein, daß er alles hören könnte. Er hatte sein Pferd angebunden, lag im Gras, sprang aber auf, als er uns kommen sah, und rief mir zu:
    „Was sagt Ihr jetzt, Master? Wenn Ihr jetzt Himmel und Erde in Bewegung setzen könntet, es wäre doch nichts mehr zu ändern. Die Hazienda ist unser, und Ihr geht Eurer letzten Stunde entgegen.“
    Ich hatte ihm kein Wort antworten wollen, konnte mich aber jetzt nicht halten und rief ihm im Vorüberreiten zornig zu:
    „Oder du der deinigen, Schurke, der du bist. Sobald ich frei bin, hole ich dich mir; darauf kannst du dich verlassen!“
    „Tue es, tue es!“ lachte er hinter mir her. „Es ist nicht nur eine Ehre, sondern muß eine wahre Wonne sein, von Old Shatterhand niedergeschossen zu werden. Also komme so bald wie möglich! Ich werde mit Sehnsucht auf dich warten.“
    Der Mensch hatte leichtes Lachen; mir aber war es trotz der hilflosen Lage, in welcher ich mich befand, genauso, als ob ich ihn schon vor der Mündung meines Gewehres hätte und den kurzen, scharfen Knall desselben hörte.
    Jetzt senkte sich der Wald zu den schon mehrfach erwähnten Bachwiesen nieder, auf denen wir die Herden des Haziendero hatten weiden sehen. Die Herden waren da; aber es standen jetzt rote Hüter bei ihnen; die weißen lagen ermordet im Gras; es war keiner von ihnen mit dem Leben davongekommen. Warum man sie nicht geschont und doch allen Auswanderern das Leben geschenkt hatte, wurde mir erst später klar.
    Wir hielten einen Büchsenschuß von der Hazienda an. Dort lagen die Deutschen, um welche ich solche Angst ausgestanden hatte, gefesselt an der Erde, bei ihnen der Haziendero, welcher, als er mich erkannte, mir zurief:
    „Sie, Señor? Wie kommen Sie nach hier zurück?“
    „Um Sie zu retten, bin aber dabei leider selbst in die Hände der Mörder geraten. Sehen Sie denn nun ein, daß ich recht hatte?“
    „Recht hatten Sie, aber doch nicht ganz. Das mit dem Überfall war richtig; aber Señor Melton ist unschuldig, wie Sie sich überzeugen können.“
    Er winkte mit dem Kopfe seitwärts. Dort lag Melton und Weller senior, an Händen und Füßen gefesselt, auch an der Erde. Das war natürlich nur ein Gaukelspiel, welches den Zweck hatte, zu beweisen, daß die beiden keinen Anteil an dem Werk der Indianer hätten. Ich wollte das dem Haziendero sagen, wurde aber von meinen Wächtern mit dem Pferd fortgezerrt und dann in solcher Entfernung wieder an den Boden gepflockt, daß ich nicht mehr mit Timoteo Pruchillo reden konnte.
    Die vor mir sich entwickelnde Szene war eine wildbelebte. Das Tor der Hazienda stand weit offen; die Indianer strömten aus und ein, um alles, was nicht niet- und nagelfest war, herauszuschaffen. Dabei heulten sie vor Entzücken einander wie die Tiger an. Was sie geschleppt brachten, wurde nicht unmittelbar vor dem Tor oder vor der Mauer niedergelegt, sondern eine Strecke weit fortgetragen, was mir Grund zu einer Befürchtung gab, welche später leider auch in Erfüllung ging. Die Hazienda sollte nämlich eingeäschert werden, und der Raub wurde, damit die Funken ihn nicht erreichen

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