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37 - Satan und Ischariot I

37 - Satan und Ischariot I

Titel: 37 - Satan und Ischariot I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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daß sie nicht zu sehen waren. Um den Leib des Reiters schimmerte es hell und rot; ein dunkler Schleier wehte hinter ihm her, und dann sah ich an dem Lauf seines Gewehrs helle Funken blitzen. Das Herz jubelte mir. Der rote Schimmer kam von der Santillodecke, welche Winnetou stets als Schärpe trug; der dunkle Schleier war sein langes, schwarzes Haar, welches er nie kürzen ließ und nie mit einem Hute bedeckte, und die Funken flogen von den blanken Nägeln, mit denen seine berühmte und gefürchtete Silberbüchse beschlagen war.
    Ich war mexikanisch gekleidet und saß, mit seinem edlen Pferde verglichen, auf einer Mähre; er erkannte mich also noch nicht. Aber er kannte die Stimmen meiner Gewehre, wie ich den scharfen, sonoren Knall seiner Silberbüchse so genau kannte, daß wir uns im wilden Urwald oft nur mit Hilfe unserer Gewehre zusammengefunden hatten. Er war noch so weit entfernt, daß die Einzelheiten seiner hohen, schlanken Gestalt noch lange nicht zu erkennen waren; da nahm ich den Bärentöter vor und schoß. Der Erfolg war ein augenblicklicher. Der Reiter riß sein Pferd mitten im Ventre à terre zurück, so daß es sich hoch aufbäumte und fast überschlug; dann trieb er es weiter, stellte sich in den Bügeln hoch und schrie mit jubelnder Stimme:
    „Scharlih, Scharlih!“
    Er pflegte in dieser Weise meinen Vornamen Karl englisch auszusprechen.
    „Winnetou, Winnetou, n'scho, n'scho – Winnetou, Winnetou, wie gut, wie gut!“ antwortete ich, indem ich mein Pferd ihm entgegentrieb.
    Er kam gleich einem Halbgott dahergesaust. Stolz und aufrecht, wie angewachsen, saß er auf dem fliegenden Rappen, den beschlagenen Kolben der Silberwüchse auf das Knie gestemmt. Sein edles Gesicht mit den gebräunten, fast römischen Zügen strahlte vor Freude; seine Augen glänzten. Ich war aus dem Sattel. Er gab sich gar nicht die Mühe, sein Pferd im Lauf anzuhalten; er ließ die Büchse zur Erde gleiten und schnellte sich, während es an mir vorüberschoß, herab und mir in die ausgebreiteten Arme, um mich an sich zu drücken und wieder und wieder zu küssen.
    Ja, wie waren Freunde, Freunde in des Wortes vollkommenster und bester Bedeutung und waren doch einst Todfeinde gewesen! Sein Leben gehörte mir und das meinige ihm; damit ist alles gesagt. Wir hatten uns so lange nicht gesehen; nun stand er vor mir in der mir bekannten und ihm so außerordentlich kleidenden halbindianischen Tracht. Als die Umarmungen vorüber waren, kamen wir aus dem Drücken und Schütteln der Hände nicht heraus. Unterdessen hatte sein Pferd einen kurzen Bogen geschlagen und kehrte zu ihm wie ein treuer Hund zurück. Es hörte meine Stimme, wieherte freudig auf und rieb den kleinen, feinen Kopf an meiner Schulter, um mir dann gar die Wange mit den Lefzen zu berühren.
    „Sieh, es kennt dich noch und küßt dich auch!“ lächelte Winnetou. „Old Shatterhand ist ein Freund der Menschen und der Tiere und wird darum von ihnen nicht vergessen.“
    Sein Blick fiel dabei auf mein Pferd, und ein lustiges Zucken ging über sein sonst so ernstes Gesicht.
    „Armer Scharlih!“ meinte er. „Wo magst du doch gewesen sein, daß es nichts anderes für dich gab! Von heute an aber wirst du deiner würdig reiten.“
    „Wie?“ fragte ich schnell. „Hast du den Hatatitla mit?“
    Hatatitla, der Blitz, hieß nämlich der Rappe, den ich geritten hatte, während Winnetou den seinigen Iltschi, den Wind, nannte.
    „Ich pflegte ihn für dich“, antwortete er. „Er ist noch jung und feurig wie vorher, und ich nahm ihn mit, weil ich dich erwartete.“
    „Das ist herrlich! Auf diesen Pferden sind wir allen Feinden überlegen. Wie aber kommst du nach der Sonora, da wir uns doch oben am Fluß treffen wollten?“
    „Ich mußte zu einigen Stämmen der Pimos, um Streitigkeiten derselben zu schlichten, und dachte dabei an meinen tapferen roten Bruder Nalgu Mokaschi, den Häuptling der Mimbrenjos, den ich so lange nicht gesehen hatte. Ich ritt, ihn aufzusuchen, und als ich an seinem Feuer saß, kehrte sein jüngster Sohn mit der Squaw, doch ohne den älteren, zurück und meldete, was geschehen war und daß du die Hilfe der Mimbrenjos gegen ihre Feinde, die Yumas, fordertest. Wir riefen sogleich einhundert und ein halbes Hundert Krieger zusammen, nahmen Fleisch auf viele Tage mit und brachen auf, drei Stunden, nachdem wir deine Botschaft erhalten hatten. Ist Old Shatterhand zufrieden?“
    „Außerordentlich! Ich danke meinem Bruder Winnetou! Aber ist auch der

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