37 - Satan und Ischariot I
vorangezogenen Häuptling nachfolgen. Sie können schnell reiten, während wir wegen der Herden nur langsam vorwärts kamen; sie könnten also hier sein.“
„Vielleicht begegnen wir ihnen heute noch!“
„Das ist möglich, und darum müssen wir uns vorsehen, damit wir ihnen nicht in die Hände laufen. Doch, schau hinter uns! Siehst du unsere Verfolger?“
„Ja; sie kommen. Sie bleiben vor den Büschen halten. Meinst du, daß sie uns sehen?“
„Ja. Sie müssen uns ebensogut bemerken, wie wir sie sehen. Paß auf! Sie kommen uns im Galopp nach. Wir können nun wieder weiter, denn nun sie uns sehen, fällt es ihnen nicht ein, umzukehren. Höchstens mußten sie die drei zurückschicken, denen wir die Pferde genommen haben und die infolgedessen nicht mit ihnen fortkommen können.“
Wir jagten weiter, über die bereits halb durchquerte Ebene hin, dann durch mehrere Täler, über einige niedrige Berge und kamen nun wieder auf ebenes Land. Dort lag ein Wald, an welchem wir auf dem Herweg gelagert hatten und den wir bis zum Abend erreichen konnten. Wir zwei legten jetzt natürlich ganz andere Strecken zurück, als vorher mit den wie die Schnecken ziehenden Weidetieren, deren Spuren noch sehr deutlich zu sehen waren. Die Fährte war so breit und deutlich ausgesprochen, daß man sie recht gut eine Straße nennen konnte.
Die Zeit verging; die Sonne sank im Westen immer weiter nieder. Fast hatte sie den Horizont erreicht, und wir konnten uns nicht mehr allzuweit von dem Wald befinden. Da bedeutete der Knabe mit ausgestrecktem Arme gerade vorwärts und rief auf:
„Sieh, dort kommen die Yumas, die bei den gefangenen Bleichgesichtern zurückblieben, und von denen wir uns nicht sehen lassen dürfen!“
Er hatte recht, wenigstens in Beziehung auf das Erscheinen von Reitern. Es war ein dichter Haufen. Man konnte der großen Entfernung wegen nicht sagen, aus wie vielen einzelnen er bestand. Es war allerdings mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen, daß wir die ihrem Häuptling nun nachfolgenden Yumas vor uns hatten; darum bogen wir, um ihnen aus dem Weg zu gehen, in einem rechten Winkel nach rechts hinüber und ließen unsere Pferde laufen, was sie laufen konnten. Es war anzunehmen, daß die Nahenden uns noch nicht gesehen hatten.
Dem aber war nicht so, denn indem wir der neuen Richtung folgten, wendete ich mich einigemal um und sah, daß ein einzelner Reiter, welcher allerdings zunächst nur als winziger Punkt erschien, sich von dem Trupp getrennt hatte und auf uns zukam. Ich hatte die Wirkung der tiefstehenden Sonne nicht mit in Berechnung gezogen. Ihr grelles Licht traf den Trupp hinten, auf der uns abgewendeten, uns aber vor, auf der ihm zugewendeten Seite; darum hatte man uns gar wohl bemerken müssen. Doch beruhigte mich der Umstand, daß der Reiterhaufen sich in seiner Richtung nicht beirren ließ und nur einen Mann abgeschickt hatte, der uns aller Wahrscheinlichkeit nach unmöglich erreichen konnte.
Der Trupp ritt jetzt langsamer, wohl um die Rückkehr des einen zu erleichtern, von West nach Ost. Wir ritten von Süd nach Nord, und zwar in Galopp. Unsere Bahnen bildeten also einen rechten Winkel oder die zwei Winkelseiten eines regelmäßigen Vierecks, auf dessen Diagonale sich der einzelne Reiter hielt. Er hatte also den weitesten Weg zu machen, und doch war es erstaunlich, daß er uns bei unserem Galopp erreichen könne, doch seine Gestalt wurde uns so schnell deutlich und immer deutlicher, daß ich meinen Irrtum einsehen mußte. War er uns erst als kleiner Punkt erschienen, so wuchs er schnell zur Größe eines Kürbis; dann begann er, sich zu gliedern. Sein Pferd hatte die Größe eines kleinen Hündchens, eines Schäferhundes, eines Windspiels, einer Dogge; es wurde größer und größer, kam näher und näher, obgleich wir unsere Schnelligkeit nicht verminderten. Mein Begleiter rief mehreremale ein verwundertes „Uff“, und ich war ebenso erstaunt über die unglaubliche Behendigkeit dieses Rosses.
In anderen Ländern und Zonen hatte ich edle Renner nicht nur gesehen, sondern selbst geritten; hier in Nordamerika aber waren nur zwei Pferde bekannt, welche einen solchen Lauf, der fast ein Fliegen genannt werden konnte, entwickelt hatten, nämlich die beiden Rappen, auf denen Winnetou und ich so oft über die Prärien gejagt waren.
Winnetou! Ich hielt unwillkürlich mein Pferd an und beschattete meine Augen, um schärfer sehen zu können, mit der Hand. Das Pferd war ein Rappe; seine Beine arbeiteten,
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