Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
37 - Satan und Ischariot I

37 - Satan und Ischariot I

Titel: 37 - Satan und Ischariot I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
und unvergleichliche Schnelligkeit nicht nur einmal das Leben gerettet hatte. Sein Aussehen war noch so frisch und seine großen, verständigen Augen glänzten noch so munter wie früher. Er trug auch ganz dasselbe indianische Sattelzeug, welches ich früher im Gebrauch gehabt hatte. Ich schwang mich hinüber, und noch saß ich nicht fest, hatte noch keinen Fuß im Bügel, da ging das Tier mit allen vieren in die Luft. Es rannte wie ein freudig aufgeregter Hund hin und her, schlug ganze und halbe Kreise und stieg bald vorn und bald hinten in die Höhe. Ich ließ ihm eine kurze Zeit den Willen; sobald ich es aber zwischen die Schenkel nahm, gehorchte es augenblicklich und blieb vor Winnetou und dem ‚Starken Büffel‘, welcher sein Pferd wieder bestiegen hatte, halten.
    „Mein Bruder Old Shatterhand sieht, daß er selbst von seinem Pferd nicht vergessen worden ist“, sagte Winnetou. „Wie oft mögen nun erst die Menschen, mit denen er verkehrte, an ihn gedacht haben! Ich werde ihm erzählen, was während seiner Abwesenheit im wilden Westen geschehen ist. Damit aber müssen wir warten, bis wir im ruhigen Kreis des Lagerfeuers sitzen. Jetzt dürfen wir uns nicht verweilen, da uns die Yumas nicht sehen sollen. Welche Entfernung liegt zwischen Old Shatterhand und ihnen?“
    „Wahrscheinlich eine so geringe, daß sie jeden Augenblick hinten am Horizont erscheinen können.“
    Jeder andere hätte nun zunächst nach der Anzahl der Feinde gefragt; das fiel dem stolzen Winnetou aber nicht ein. Er schlang sein Lasso los, band seine Santillodecke daran, um sie hinter sich herzuschleifen, und gab seinen Kriegern einen Wink, mit ihren Decken dasselbe zu tun. Durch das Nachschleifen der Decken oder auch anderer Gegenstände werden nämlich die Spuren ausgewischt, allerdings nicht so, daß sie gänzlich verschwinden. Wer hinterher folgt, bemerkt gar wohl, daß sich vor ihm Leute befinden, welche diese Vorsichtsmaßregel in Anwendung gebracht haben, aber er ist nicht mehr imstande, ihre Anzahl zu bestimmen. So auch hier bei uns. Die Yumas mußten unsere Fährte sehen, konnten aber unmöglich sagen, wieviel Personen wir waren.
    Es ging in leichtem Galopp weiter. Ich ritt zwischen Winnetou und dem ‚Starken Büffel‘. Letzterer hatte seinen Sohn mit keinem Blick begrüßt, obgleich er aus den obwaltenden Umständen schließen mußte, daß das, was der Knabe erlebt hatte, nichts Gewöhnliches sein konnte. So ist der Indianer. Der Häuptling liebte sein Kind jedenfalls nicht weniger als ein Weißer das seinige; aber es wäre ein Zeichen der Schwachheit, der Unmännlichkeit gewesen, wenn er durch ein Wort, durch eine Frage verraten hätte, daß er sich um den Sohn in Sorge befunden habe.
    Bald tauchte der mehrfach erwähnte Wald seitwärts vor uns auf. Wir hielten uns so, daß wir ihn zu unserer rechten Hand bekamen. Es galt, uns den Blicken der Yumas zu entziehen und sie in einem Hinterhalt zu erwarten. Dieser wurde uns geboten durch einen Vorsprung des Gehölzes, eine aus dem letzteren heraustretende scharfe Ecke, welche wir umritten, um hinter derselben anzuhalten.
    Auch hier zeigte sich wieder die Gewalt, welche Winnetou, ohne daß er es beabsichtigte, auf alle, mit denen er in Berührung kam, auszuüben pflegte. Der ‚Starke Büffel‘ und viele seiner Leute ragten in Beziehung auf die äußere Gestalt weiter über Winnetou hinaus; es waren weitbekannte, gefürchtete Krieger unter ihnen, und doch blickten alle, als wir anhielten, auf Winnetou, um zu warten, welche Bestimmungen er treffen werde. Er wurde, ohne daß ein Wort darüber gesprochen worden war, als Anführer der Roten betrachtet, obwohl er gar nicht zu den Mimbrenjos gehörte, und dem Häuptling derselben fiel es nicht im mindesten ein, neidisch darüber zu sein. Diesen Eindruck machte Winnetou überall, wohin ich mit ihm kam, selbst bei feindlichen Stämmen und sogar bei den Weißen, welche doch sonst nicht bereit sind, sich einem Roten unterzuordnen.
    Und er pflegte wiederum nichts vorzunehmen, wenigstens nichts Wichtiges, ohne sich darüber vorher mit mir ins Einverständnis zu setzen. Freilich, wer das bemerken wollte, mußte sehr scharf aufpassen. Gewöhnlich fiel da keine Frage zwischen uns; ein Blick hinüber und herüber genügte zum Verständnis, wo nicht, so sagte eine Handbewegung, ein Achselzucken, ein Nicken oder Kopfschütteln das übrige. Wir hatten uns eben so ineinander eingelebt, daß der eine die Gedanken des anderen schon im voraus anzugeben

Weitere Kostenlose Bücher