38 - Satan und Ischariot II
Seine Stirn legte sich in Falten. Er blickte einige Augenblicke vor sich nieder und sprach dann:
„Da Sie einmal gehört haben, was der Kapitän sagte, so bin ich zu entschuldigen, wenn ich gegen Kalaf eine Indiskretion begehe, indem ich Ihnen eine Bemerkung über denselben mache. Sie werden ihn in Tunis sehen und … reisen Sie von Tunis aus direkt nach Hause?“
„Wahrscheinlich.“
„Und ich gehe über England. Es ist also sehr wahrscheinlich, daß wir dasselbe Schiff benützen, und da Kalaf vermutlich auch mitfährt, so würden Sie später doch erfahren, was ich Ihnen jetzt unnützerweise vorenthalten könnte. Kalaf ist nämlich Kolarasi.“
„Was ist das?“ fragte ich, mich unwissend stellend.
„Offizier im Kapitänsrang. Er stammt aus den Vereinigten Staaten.“
„Wie? Was?“ rief ich verwundert aus. „Ein Amerikaner? So ist er also Christ? Wie kann er da tunesischer Offizier sein?“
„Er ist zum Islam übergetreten.“
„O weh! Ein Abtrünniger!“
„Verurteilen Sie ihn nicht! Er hat mir über sein Vorleben nichts mitgeteilt; aber er ist ein Ehrenmann und kann nur durch schwere Schicksalsschläge zu dem Schritt, der Ihnen vielleicht unmöglich erscheint, gezwungen worden sein.“
„Nichts, gar nichts auf der Welt, kein Leiden, keine Marter, keine Drohung könnte mich bewegen, meinem Glauben abzuschwören!“
„Nicht jeder denkt so wie Sie. Ich verteidige Kalaf nicht, ich verurteile ihn aber noch viel weniger. Ich weiß nur, daß er sich fort sehnt und nicht fort kann. Ich will ihm dazu behilflich sein; ich will ihn befreien!“
„Befreien? Er braucht ja nur um seinen Abschied zu bitten!“
„Den bekommt er nicht, weil man ahnt, daß er dann wieder zum Christentum übertreten werde.“
„So nimmt er seinen Urlaub und geht über die Grenze!“
„Das ist leicht gesagt. Gesetzt, er bekäme den Urlaub und desertierte, was dann? Er ist arm. Wovon sollte er leben? Er braucht dann einen wohlhabenden Beschützer, welcher sich seiner annimmt.“
„Der werden Sie sein!“
„Ja. Ich nehme ihn mit nach Amerika, wo sich bei mir wohl ein Platz für ihn finden wird. Mit dem ersten Schiff, welches den Hafen von Goletta verläßt, dampfe ich mit ihm ab, und da Sie dasselbe auch benutzen und ihn also sehen werden, habe ich Ihnen die Verhältnisse aufrichtig mitgeteilt. Vielleicht haben Sie, wenn ich eines Helfers bedarf, die Güte, mich zu unterstützen?“
„Mit größtem Vergnügen, Mr. Hunter“, antwortete ich, herzlich erfreut darüber, daß er gerade mich, seinen heimlichen Gegner, als Verbündeten engagierte. „In welcher Weise meinen Sie wohl, daß ich Ihnen behilflich sein könnte?“
„Das weiß ich jetzt noch nicht. Zunächst möchte ich Sie bitten, den Boten zwischen ihm und mir zu machen.“
„Den Boten? Wollen Sie denn nicht direkt mit ihm verkehren?“
„Nein, wenigstens nicht zunächst und nicht öffentlich. Sie geben wohl zu, daß ich, da ich einen Offizier heimlich entführen will, Ursache habe, im Verborgenen zu bleiben. Erführe man, daß ich seine Desertation unterstützt habe, so könnte ich später unangenehme Weiterungen davon haben. Ich habe erfahren, daß er von Tunis abwesend war, und weiß nicht, ob er jetzt schon wieder zurück ist. Das muß ich erfahren, ohne selbst Erkundigungen danach einziehen zu brauchen. Würden Sie die Güte haben, das an meiner Stelle zu tun?“
„Mit großem Vergnügen natürlich.“
„So will ich Ihnen sagen, daß ich nicht in Goletta, dem Vorhafen von Tunis aussteigen werde. Der Kapitän hat vielmehr die Weisung, mich schon bei Ras Chamart ans Land zu setzen. Von da aus begebe ich mich heimlich nach dem südlich von Tunis gelegenen Dorf Zaghuan zu einem Freund des Kolarasi; er ist Pferdehändler und heißt Bu Marama. Bei ihm bleibe ich verborgen, bis ich mit dem Deserteur zu Schiff gehe, denn niemand soll erfahren, daß ich dagewesen bin und die Hand im Spiel habe. Sie aber fahren bis in den Hafen, erkundigen sich, ob Kalaf Ben Urik zurück ist, und kommen dann nach Zaghuan zu Bu Marama, um mir zu sagen, was Sie erfahren haben. Oder ist das zuviel von Ihnen verlangt?“
„Nein, gar nicht. Ich bin zwar Geschäftsmann und handle mit Leder und Pelzwerk, bin dabei aber noch ein wenig romantisch angelegt, so daß ich mich Ihnen mit größtem Vergnügen zur Verfügung stelle. Es soll mich freuen, wenn es mir erlaubt ist, einen kleinen Beitrag zur Befreiung des Hauptmannes zu liefern.“
„So sind wir also einig; Sie
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