38 - Satan und Ischariot II
antwortete ich absichtlich, weil der alte Hunter früher in Leder gearbeitet und gehandelt hatte.
„Das ist ein allerdings sehr einträglicher Geschäftszweig. Aber ich habe noch nie gehört, daß der Pelz- und Lederhandel auch Indien berührt!“
Da griff er mich allerdings an der schwachen Seite an; da ich aber einmal in Indien gewesen sein wollte, mußte ich mich herauszubeißen suchen.
„Sie denken da wohl nicht an den ungeheuren Pelzertrag Sibiriens.“
„Gehen die Pelze von dort nicht nach Rußland?“
„Nach Rußland und China; aber ich bin ja Engländer; China liegt mir zu weit und zieht zu hohe Prozente von seinem Zwischenhandel; Rußland aber ist neidisch auf England und verhält sich beinahe ablehnend zu unseren Anfragen. Da haben wir uns denn des Umstandes erinnert, daß unsere indischen Besitzungen weit nach Hochasien aufsteigen; eine Handelsstraße von dort aus nach dem Baikalsee war leicht zu schaffen, und nun holen wir uns unseren Bedarf an sibirischem Pelzwerk über Indien, ohne dem Zaren oder dem chinesischen Kaiser gute Worte zu geben.“
„Ah, so! Ihre Hauptbezugsquelle ist aber wohl Nordamerika?“
„Für Häute die La Plata-Staaten und für Pelzwerk Nordamerika. Ich habe manche Sendung von New Orleans selbst herübergeholt.“
„New Orleans? Natürlich haben Sie dort auch Bekanntschaften gemacht?“
„Nur geschäftliche.“
„Sollten Sie trotzdem nicht auch auf meinen Namen gekommen sein? Mein Vater hat sich zwar längst zur Ruhe gesetzt, ist aber mit seinen dortigen Geschäftsfreunden in ununterbrochenem persönlichem Verkehr geblieben.“
Jetzt hatte er mich da, wo er mich haben wollte, ich ihn aber auch! Ich gab mir den Anschein, nachzusinnen, und antwortete dann:
„Ihr Name? Hunter? Hm! Hunter – Hunter – kann mich auf keine Firma dieses Namens besinnen. Hunter …“
„Nicht Firma, sondern Armeelieferant. Er hat viel, sehr viel in Leder gemacht.“
„Armeelieferant? Ah, das ist etwas anderes! Hunter, heißt das nicht auf deutsch Jäger?“
„Ja.“
„Ich habe einen steinreichen Herrn gesehen, welcher deutscher Abstammung war und Jäger geheißen hatte. Er war allerdings Armeelieferant gewesen und hatte den Namen Jäger in Hunter verwandelt.“
„Das war mein Vater! Sie haben ihn also gekannt?“
„Gekannt eigentlich nicht. Ich bin ihm einmal vorgestellt worden. Das ist alles.“
„Wo? Wann?“
„Das ist mir leider nicht mehr erinnerlich. Bei einem so vielbewegten Leben, wie das meinige ist, wird einzelnes leicht vergessen. Es wird aber jedenfalls bei einem Geschäftsfreund gewesen sein.“
„Natürlich! Und da Sie ihn nicht näher gekannt haben oder kennen, so wissen sie wohl auch nicht, daß er gestorben ist?“
Mit dieser Frage schoß er einen Bock, der gar nicht größer sein konnte. Ich setzte ihm auch schnell den Fuß zwischen die Tür, indem ich fragte:
„Gestorben? Er ist tot? Seit wann denn, Mr. Hunter?“
„Etwas über ein Vierteljahr.“
„Sie befanden sich also zur Zeit seines Todes im Orient?“
„Ja.“
„Haben Sie Geschwister?“
„Nein.“
„So mußten Sie eigentlich sofort heimkehren. Ein solches Erbe läßt man nicht so lange auf sich warten!“
Er errötete und zog die Augenlider zusammen; er sah jetzt ein, welchen Fehler er begangen hatte. Um denselben wieder gutzumachen erklärte er:
„Sie wissen nicht, daß ich die Nachricht von dem Todesfall erst vor einigen Tagen erhalten habe.“
„So! Das ist freilich etwas anderes. Sie gehen jedoch nicht direkt nach Hause?“
Diese Frage brachte ihn allerdings in Verlegenheit.
„Nicht gerade direkt“, antwortete er, „aber doch so schnell wie möglich. Sosehr ich mich auch beeilen möchte und beeilen muß, ich bin doch gezwungen, Tunis zu berühren.“
Mit dieser Bemerkung gab er sich eine noch viel größere Blöße als vorher. Der Zwang also, der Zwang führte ihn nach Tunis! Um ihn ja nicht zur Überlegung zum Erkennen seines Fehlers kommen zu lassen, fuhr ich schnell fort:
„Gezwungen? Wohl durch Ihre Verbindung mit Kalaf Ben Urik?“
„Wie kommen Sie darauf?“ fragte er erstaunt, indem er mir einen schnellen, mißtrauischen Blick zuwarf.
„Auf die einfachste Weise von der Welt. Der Kapitän sprach ja von diesem Mann, den er zu kennen schien. Kalaf Ben Urik hat, wie ich hörte, ihm Auftrag gegeben, Sie von Alexandrien abzuholen. Daraus ist doch zu schließen, daß Sie mit dem Kalaf in enger Beziehung stehen?“
Er war gefangen, wenigstens halb.
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