38 - Satan und Ischariot II
die Gegenstände, welche sich darin befanden, zu ordnen. Es gab da auch eine Brieftasche, welche er aufschlug. Er nahm mehrere Papiere heraus, welche er las und dann wieder hineinlegte. Dabei betrachtete er mich so aufmerksam und mißtrauisch, daß ich annehmen mußte, die Brieftasche enthalte Heimlichkeiten, die niemand wissen dürfe. Ich nahm mir sogleich vor, sie ihm zu stehlen. Er legte die Tasche in den Koffer zurück, verschloß ihn und steckte den Schlüssel ein. Diesen also mußte ich haben. Als er dann eingeschlafen war, hat es lange, sehr lange gedauert, ehe ich ihm denselben aus der Hose ziehen konnte.“
„Alle Wetter! Du scheinst ganz bedeutende Anlagen zum Taschendieb zu haben!“
„Ein Mann muß alles können, was er will; er darf es aber nur dann tun, wenn es gut und nützlich ist. Ich habe dann, während er weiterschlief, den Koffer geöffnet und die Brieftasche herausgenommen. Hier ist sie. Meine Brüder mögen sehen, ob sie etwas enthält, was sie brauchen können.“
Wir hatten an der Kajütendecke ein kleines Lämpchen hängen, welches vorhin, als wir uns schlafen legten, ausgelöscht worden war; dieses brannten wir jetzt wieder an. Es braucht wohl nicht gesagt zu werden, daß Emery jetzt auch munter geworden war. Ich hatte natürlich die Tür wieder zugemacht und sie von innen verriegelt. Nun machten wir uns an die Durchsicht der Brieftasche.
Sie enthielt neben Wert- und anderen Papieren, welche uns nicht interessieren konnten, einige sorgfältig eingeschlagene Briefe, welche ich öffnete. Gleich der erste war geeignet, unsere ganze Aufmerksamkeit in Anspruch zu nehmen. Er war in englischer Sprache geschrieben und lautete in deutscher Übersetzung ungefähr:
„Lieber Jonathan! Welch ein Glück, daß du hinter Hunters Rücken seine Postsachen vom Konsulat in Kairo holtest! Welch eine Nachricht! Sein Vater ist tot, und er soll nach Hause kommen! Daß es in Wirklichkeit so ist, wird dadurch bewiesen, daß sowohl die Behörde, als auch der junge Advokat, sein Freund, geschrieben haben. Natürlich wirst du dich in den Besitz des Erbes setzen; es wird das sehr leicht gelingen, und dann gibt es für mich die Mittel, mein trauriges Exil zu verlassen und anderswo ein besseres Dasein zu führen.
Ob ich mit deinem Plan einverstanden bin? Ich sage dir, er könnte gar nicht besser sein! Wir locken Hunter durch den Brief, den du im Namen des Advokaten geschrieben hast, nach Tunis. Du bist ein Tausendkünstler. Die Handschrift des Advokaten ist so täuschend nachgeahmt, daß es Hunter gar nicht einfallen kann, daran zu zweifeln, daß sein rechtsgelehrter Freund sich jetzt in Tunis befindet und in sehr wichtigen Angelegenheiten mit ihm sprechen will. Er wird sofort aufbrechen und die nächste Gelegenheit nach Tunis benützen.
Aber natürlich darfst du nicht mit ihm hierher kommen, denn da würde eure ungeheure Ähnlichkeit so auffallen, daß dieser Umstand später zur Entdeckung führen könnte. Du mußt einstweilen in Ägypten zurückbleiben. Um einen Grund dazu wirst du nicht verlegen sein; du kannst ja plötzlich krank werden. Wenn du dich dann in Alexandrien bei dem Griechen Michalis einlogierst, wird mein nächster Brief dich dort treffen. In demselben sage ich dir, was du weiter zu tun hast.
Höchst schlau ist es von dir, daß du in dem gefälschten Brief Small Hunter an mich adressierst, indem du schreibst, daß der Advokat Fred Murphy bei mir wohnte. Da kommt Hunter natürlich direkt zu mir, und ich werde dann Gelegenheit finden, ihn schnell und heimlich verschwinden zu lassen. Dann rufe ich dich, und du trittst an seine Stelle. Da du alle seine Verhältnisse so sehr genau und eingehend studiert hast, wird es dir nicht schwer werden, drüben in den Vereinigten Staaten als Small Hunter aufzutreten, wenigstens so lange, bis das Erbe ausbezahlt worden ist.“
Dies war der größere Teil des Briefes, und dieser bezog sich, wie man sieht, auf unser Unternehmen. Es folgten nun noch verschiedene anderweite Bemerkungen, welche uns gleichgültig sein konnten, für den Adressanten aber wohl solchen Wert gehabt hatten, daß er ihretwegen das Schreiben aufbewahrt hatte. Sonst wäre es nicht nur unverständlich, sondern geradezu unbegreiflich gewesen, daß diese für ihn so gefährlichen Blätter nicht vernichtet worden waren. Sie enthielten den verbrecherischen Plan mit solcher Deutlichkeit verzeichnet, daß jeder Leser, dem sie durch einen Zufall, eine Unvorsichtigkeit in die Hände gerieten, sofort
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