38 - Satan und Ischariot II
stecken lassen, und zwar so lange, bis wir auch seinen Vater haben.“
„Wir dürfen uns eben nicht durchschauen lassen.“
„Nun, mir traut er keine Feindschaft zu; wie aber, wenn er zufällig errät, wer ihr seid? Man weiß ja, welche Rolle die Zufälle spielen.“
„Es wäre ein wirklich unbegreiflicher Zufall, der ihm verriete, daß wir Winnetou und Old Shatterhand sind!“
„So müßt ihr euch andere Namen geben. Es ist besser, wir wissen das schon jetzt. Je eher wir euch damit nennen, desto sicherer sind wir, uns nicht etwa zu versprechen.“
„Das ist richtig. Was mich betrifft, so möchte ich mich nicht für einen Deutschen ausgeben, denn er weiß gewiß, daß Old Shatterhand ein Deutscher ist.“
„Ja. Willst du vielleicht ein Landsmann von mir sein?“
„Ja, wenn du es erlaubst.“
„Gut! So sei ein Verwandter von mir, ein gewisser Mr. Jones, den ich zufälligerweise hier getroffen habe und der in Tunis Geschäfte hat. Und Winnetou? Für wen geben wir ihn aus?“
„Er wird es sich gefallen lassen müssen, einmal ein Afrikaner zu sein. Geben wir ihn für einen mohammedanischen Somali aus, Ben Asra.“
„Schön! Nur fragt es sich, ob er nichts dagegen einzuwenden hat.“
Als der Apache diese Worte hörte, sagte er:
„Nennt Winnetou wie ihr wollt; er bleibt doch der Häuptling der Apachen.“
„Das ist richtig“, antwortete ich; „aber es ist keineswegs gleichgültig, für wen wir dich ausgeben, da du dafür zu sorgen hast, daß man dich auch wirklich für denselben hält. Ich werde dich also unterwegs darüber unterrichten, wer und was ein Somali ist und wie du dich als ein solcher zu benehmen hast. Wir geben an, daß du das Arabische nicht verstehst, was ja auch die Wahrheit ist, aber von Sansibar aus einige Jahre in Indien gewesen bist und dort Englisch gelernt hast. Wann reisen wir von hier ab?“
„Morgen früh“, antwortete Emery. „Dann kommen wir gerade kurz vor der Zeit an, in welcher mein Mr. Hunter ein Schiff nach Tunis erwartet.“
„Was für eins?“
„Einen französischen Handelsdampfer.“
„Also nicht Messagerie? Das fällt mir auf. Er muß also von Tunis aus sehr wahrscheinlich über diesen Dampfer verständigt worden sein.“
„Das denke ich auch. Vielleicht gelingt es uns, etwas darüber zu erfahren.“
„Aber Winnetou und ich werden uns beim Kapitän desselben zu legitimieren haben!“
„Das überlaß nur mir! Ihr seid unterwegs um eure Papiere gekommen, und ich denke, daß es genügen wird, wenn ich meinen Paß vorzeige und für euch gutsage.“
„Sodann bin ich neugierig, wie Hunter sich legitimieren wird. Der wirkliche und berechtigte Träger dieses Namens hat doch, wenn wir uns überhaupt nicht verrechnet haben, seine Legitimationen jedenfalls mit nach Tunis genommen.“
„Werden sehen. Die Hauptsache ist, daß er keinen Verdacht schöpft. Du bist in Indien gewesen und hast dort Winnetou, also den reichen Somali Ben Asra getroffen. Jetzt geht ihr nach London, wo er Geschäftsbeziehungen anknüpfen will, und verweilt unterwegs kurze Zeit in Tunis, wo du irgend etwas zu tun hast. So ist die Sache. Alles weitere aber müssen wir abwarten.“
Man sieht, daß Emery sich unserer Angelegenheit ganz so annahm, als ob es dies seinige sei. Wir saßen noch einige Zeit, und dann trennten wir uns, um uns am nächsten Morgen zur Abreise wieder zu vereinigen.
VIERTES KAPITEL
In Tunis
Über unsere Fahrt nach Alexandrien ist nichts zu sagen. Wir kehrten dort in ein Hotel ein, und dann ging Bothwell, um Hunter aufzusuchen. Wir hatten angenommen, daß es ihm gar nicht lieb sein werde, weitere Reisegesellschaft zu bekommen, waren aber mit dieser Voraussetzung irre gegangen, denn er kam bald darauf mit Emery zu uns, um uns zu sagen, daß es ihm angenehm sei, mit uns fahren zu können.
Wenn ich einmal nach reiflicher Überlegung eine Meinung gefaßt habe, so pflege ich dieselbe, selbst wenn es scheint, daß ich unrecht habe, wenigstens im stillen so lange festzuhalten, bis ich vollständig vom Gegenteil überzeugt worden bin. Besäße ich einen wankelmütigeren Charakter, so hätte ich beim Anblick dieses jungen Mannes den Verdacht, den ich gegen denselben hegte, sehr wahrscheinlich fallenlassen. Er machte nämlich einen geradezu vortrefflichen Eindruck, und ich wunderte mich nun gar nicht mehr darüber, daß Emery ihn einen anständigen Mann genannt hatte. Es war weder in seinem Gesicht noch in seiner ganzen Erscheinung oder seinem Benehmen das geringste
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