38 - Satan und Ischariot II
beredet, uns den Uled Ayar auszuliefern.“
„Maschallah! Herr, sage mir, wer mich in dieser Weise verleumdet hat, damit ich ihn auf der Stelle niederschieße!“
„Sprich nicht vom Schießen, denn du selbst wirst es sein, der erschossen wird. Die Kriegsgesetze verlangen deinen Tod.“
„Herr, ich bin unschuldig! Ich weiß –“
„Schweig!“ herrschte ich ihn an. „Du hast nach unserem Verschwinden als Führer die Nachforschungen geleitet und mit Absicht nicht auf unsere Spuren geachtet. Der Kolarasi hat mir selbst gesagt, daß er mit dir im Bund steht.“
„Der Schurke! Er ist –“
„Still! Du bist ein Verräter und wolltest uns alle ans Messer liefern. Entwaffnet den Halunken und bindet ihn! Der Herr der Heerscharen wird ihm morgen sein Urteil sprechen.“
Die Leute waren so erstaunt, den Unteroffizier, welcher bisher ein so großes Vertrauen genossen hatte, eines solchen Verbrechens angeklagt zu sehen, daß sie versäumten, meinen Befehl auszuführen. Dies machte er sich zunutze, indem er ausrief:
„Mein Urteil? Eher soll das deinige gesprochen werden, und zwar jetzt gleich, du verfluchter Giaur!“
Er zog sein Messer und wollte es mir in die Brust stoßen, um dann zu entrinnen. Ich hatte Winnetous Gewehr in der Hand, parierte mit demselben den Stoß und griff nach dem Verräter. Er huschte mir aber unter dem Arm weg und eilte davon, der Stelle zu, an welcher die Pferde standen. Die Anwesenden waren alle so perplex, daß es keinem einfiel, ihn zu verfolgen. Auch ich blieb stehen; aber ich legte die Silberbüchse zum Schuß an.
An dem Mann lag mir ganz und gar nichts. Er hätte immerhin entkommen mögen; aber es war mit Sicherheit anzunehmen, daß er sich direkt nach der Schlucht zu den Uled Ayar wenden würde, und das mußte unbedingt verhindert werden. Die Felsblöcke verhinderten die Aussicht auf die Pferde; aber wenn er aufstieg, saß er so hoch, daß seine Gestalt über die Felsen ragen mußte. Darauf wartete ich. Das Schnauben eines Tieres war zu hören, dann Hufschlag. Er war aufgestiegen. Da drüben ritt er hin. Ich sah seinen Kopf und seine Schultern; ich zielte auf die rechte Schulter und drückte ab. Der Schuß krachte; ein Schrei ertönte, und der Reiter verschwand.
„Ich habe ihn vom Pferd geschossen“, sagte ich, indem ich das Gewehr absetzte. „Eilt hin, und holt ihn her zu mir!“
Viele rannten fort. Als sie ihn brachten, war er ohnmächtig.
„Der Hekim (Arzt) mag ihn verbinden; dann wird er gefesselt“, gebot ich. „Er darf nicht aus den Augen gelassen werden.“
„Warum fesseln?“ ertönte da eine Stimme hinter mir. „Der Mann schien brav zu sein und hat sich gut geführt. Wer wird eines Verdachtes wegen einen Menschen erschießen!“
Diese Worte waren in englischer Sprache gesprochen worden, und als ich mich umdrehte, stand der falsche Hunter da. Der kam mir eben recht!
„Sie tadeln mich?“ fragte ich ihn in derselben Sprache. „Dazu haben Sie kein Recht.“
„Haben Sie Beweise für die Schuld dieses Unteroffiziers?“
„Ja.“
„So mußten Sie ihn anzeigen, damit er vor ein Kriegsgericht gestellt werde! Sie hatten auf alle Fälle kein Recht, auf ihn zu schießen!“
„Pshaw! Ich weiß stets, was ich tue. Ich werde das, was ich getan habe und noch tun werde, vor Krüger-Bei verantworten. Wie kommt es, daß Sie sich eines Verräters so warm annehmen?“
„Es muß bewiesen werden, daß er einer ist!“
„Es ist schon erwiesen. Ich habe allerdings in letzter Zeit bemerkt, daß Sie eine ganz besondere Neigung zu diesem Mann gefaßt und sich besonders in heimlicher Weise viel mit ihm beschäftigt haben. Jetzt verteidigen Sie ihn, ohne dazu berufen worden zu sein. Können Sie mir den Grund dazu angeben?“
„Ich habe mich vor Ihnen nicht zu rechtfertigen! Was ich lasse oder was ich tue, das geht Sie gar nichts an!“
„So! Das ist Ihre Meinung; die meinige klingt aber anders. Soll ich Ihnen sagen, warum Sie eine ebenso heimliche wie innige Freundschaft mit diesem Verräter geschlossen haben?“
„Dies zu sagen, würde Ihnen wohl sehr schwer werden!“
„Kinderleicht! Er macht das Bindeglied zwischen Ihnen und dem Kolarasi Kalaf Ben Urik, den Sie befreien wollen.“
„Wenn es das ist, so bedaure ich es jetzt sehr, Sie in mein Vertrauen gezogen und Ihnen soviel mitgeteilt zu haben!“
„Dann bedauern Sie vielleicht das noch mehr, was ich von anderen außerdem weiß, daß Sie einen gewissen Thomas Melton kennen.“
„Tho – mas –
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