38 - Satan und Ischariot II
ihm der Atem stocken wolle. „Er ist's wirk – wirk – wirklich?“
„So wahr, wie ich Old Shatterhand bin. Wenn Sie von uns gehört haben, so wissen Sie wohl, daß wir beide unzertrennlich sind.“
„Das weiß ich. Aber was wollen Sie denn hier in Tunis?“
„Wir suchen jenen Thomas Melton.“
„Donnerwetter!“ fluchte er.
„Wir waren erst in Ägypten, fanden aber anstatt diesen Thomas seinen Sohn Jonathan, der im Begriff stand, nach Tunis zu gehen, und da wir uns sagten, daß er da jedenfalls seinem Vater einen Besuch abstatten werde, so gingen wir mit.“
„Und – und – und –?“
„Und haben uns nicht geirrt. Wir haben Thomas Melton gefunden in der Gestalt Ihres lieben Kolarasi Kalaf Ben Urik. Ich habe Ihnen etwas höchst Interessantes versprochen; habe ich nicht Wort gehalten?“
„Lassen Sie mich in Ruhe! Was gehen mich alle die Leute an! Ich bin Small Hunter und habe nichts mit Ihnen zu schaffen.“
Er wollte sich abwenden; ich hielt ihn aber beim Arm zurück und sagte:
„Bitte, warten Sie noch, Sir! Ich glaube sehr gern, daß Sie nichts mit mir zu schaffen haben wollen; jetzt und hier aber ist die Frage, ob ich noch mit Ihnen zu schaffen habe. Ich kann Sie nicht gehen lassen, ganz und gar nicht. Ja, ich habe die Absicht, Sie bei mir zu behalten, mögen Sie nun wollen oder nicht. Ich behalte Sie bei mir, bis ich mit dem jungen Amerikaner gesprochen habe, welcher den Zug hierher mit dem Kolarasi Melton gemacht hat.“
„Kenne ich nicht, weiß kein Wort von ihm!“
„So? Und doch ist er eine Persönlichkeit, an welcher Sie den lebhaftesten Anteil nehmen müssen. Er nennt sich gerade so wie Sie, nämlich ‚Small Hunter‘.“
„Unmöglich!“
„Nein, wirklich! Sie sehen, der Mann bringt Sie in Gefahr, für einen falschen Small Hunter gehalten zu werden.“
„Sie denken doch nicht etwa –!“
„Ich denke, daß Sie der echte, der wirkliche Small Hunter sind, denn ich bin überzeugt, daß Sie das beweisen können. Ich weiß das sehr genau.“
„Woher?“
„Aus Ihrem Notizbuch.“
„Notizbuch? Was wissen Sie von meinem Buch? Kein Mensch hat in dasselbe gesehen, als nur ich allein.“
„Da irren Sie. Ich habe auch hineingesehen. Und nicht ich allein, sondern Winnetou und Sir Emery auch.“
„Das wollen Sie mir doch nicht etwa weismachen!“
„Weismachen nicht, sondern es ist wirklich so. Sie erinnern sich, daß Winnetou auf dem Schiff mit in Ihrer Kabine gewohnt hat. Wir wollten wissen, woran wir mit Ihnen wären; da machte Winnetou seine Augen auf, und die sind scharf. Er sah, daß Sie Ihr Portefeuille mit großer Sorgfalt behandelten und versteckten. Als sie schliefen, machte er den Taschendieb. Sie schliefen infolge Ihres außerordentlich guten Gewissens sehr fest, und es gelang ihm darum, den Schlüssel aus Ihrer Tasche und das Portefeuille aus dem Koffer zu bringen. Natürlich kam er mit demselben zu uns hinüber in unsere Kabine, und wir beeilten uns, Einsicht zu nehmen. Dann brachte er es an die Stelle zurück, woher er es genommen hatte. Sie begreifen also nun wohl, warum ich überzeugt bin, daß Sie der echte, wirkliche Small Hunter sind.“
„So bin ich also von Ihnen bestohlen worden!“
„O nein, denn Sie haben Ihr Eigentum zurückerhalten. Sie können uns höchstens das eine vorwerfen, daß wir ein wenig neugierig gewesen sind. Auch jetzt will ich Sie nicht bestehlen. Ich gebe zwar zu, daß ich das Portefeuille brauche; aber ich werde es Ihnen nicht im Schlaf nehmen; o nein, das fällt mir nicht ein, sondern Sie werden die Güte haben, es mir im vollen Wachen jetzt zu geben.“
„Das werde ich nicht!“ schrie er mich an.
„Sie werden!“ sagte ich in einem sehr bestimmten Ton. „Wenn Sie es nicht herausgeben, werde ich Sie zu zwingen wissen!“
„Ich habe es nicht mit mir! Ich habe es bei dem Pferdehändler von Zaghuan im Koffer gelassen.“
„Sie irren. So einen wichtigen Gegenstand läßt man nicht bei so fremden Leuten liegen. Sie haben während unseres Rittes das Portefeuille oft in der Hand gehabt, und es immer wieder in die Brusttasche zurückgestellt. Hier ist es; ich fühle es.“
Bei diesen Worten klopfte ich ihm an die Brust, wo das Buch steckte. Er wich zurück und rief:
„Rühren Sie mich nicht an; ich dulde das nicht!“
„Oh, Sie werden noch mehr als das erdulden. Passen Sie auf!“
Ich wendete mich, natürlich nicht in englischer Sprache, an die umstehenden Offiziere, welche kein Wort unsers Gesprächs
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