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38 - Satan und Ischariot II

38 - Satan und Ischariot II

Titel: 38 - Satan und Ischariot II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Grund, daß er ihn so wenig aus den Augen lasse.“
    „Weiter! Was tatet ihr bei der Nachricht von dem angeblichen Selbstmord?“
    „Ich ließ eine Palmenfaserfackel anzünden; dann begaben wir uns nach der Stelle, an welcher der Tote lag.“
    „War er wirklich tot? Hast du dich selbst davon überzeugt?“
    „Nein, weil wir nach unserem Glauben durch die Berührung einer Leiche verunreinigt werden. Hätte der Tote zu uns gehört, so wäre es etwas anderes gewesen; aber er war ein Fremdling, warum sollten wir da unsere Hände an ihm beflecken?“
    „Hm! Er wurde begraben?“
    „Ja, von dem Kolarasi.“
    „Es half ihm niemand dabei?“
    „Niemand, eben der Verunreinigung wegen. Auch hat er keinen Menschen um Hilfe dabei gebeten.“
    „Wann war das?“
    „Gestern. Als man euch als Gefangene zu mir brachte, erschien doch der Kolarasi bei euch und mir. Er kam von dem Grab; er war noch nicht fertig mit demselben und hat es dann später vollendet, als wir euch in die Zelte gesteckt hatten.“
    „Sahst du die Wunde, welche die Kugel gemacht hat?“
    „Ja. Das tödliche Metall ist in das Herz gedrungen. Hältst du solche Nebendinge für wichtig, daß du mich nach denselben fragst?“
    „Für außerordentlich wichtig. Ich muß das Grab sofort aufsuchen und bitte dich, mich zu begleiten.“
    Er war natürlich dazu bereit, nachdem er vorher in Betreff des zu errichtenden Lagers einige notwendige Anordnungen gegeben hatte. Krüger-Bei, Winnetou und Emery gingen mit. Unterwegs erkundigte ich mich noch bei ihm:
    „Ging nicht aus deinen Worten vorhin hervor, daß du nicht an einen Selbstmord glaubst?“
    „Ich zweifle allerdings an demselben, weil es mir unmöglich erscheint, daß der ‚Vater der zwölf Zehen‘ so lebensüberdrüssig gewesen ist, daß er sich selbst den Tod gegeben hat. Und sodann ist der Kolarasi ein Mensch, dem man alles zutrauen kann. Er bewachte den Fremden förmlich; es war ganz so, als ob derselbe sein Gefangener sei.“
    Als wir während dieses Gespräches den großen Teil der Schlucht durchschritten hatten, zeigte uns der Scheik die Stelle, an welcher sich das Grab befand. Von einem Grab im eigentlichen Sinn war freilich keine Rede; es bestand nicht aus einer Grube, sonders aus einem Steinhaufen, mit welchem die Leiche zugedeckt worden war. Melton hatte sich die Arbeit leichtgemacht. Der Steinhaufen war nicht hoch; wir hatten ihn in einigen Minuten entfernt. Da lag der Tote. Sein Anblick machte den Eindruck, den ich erwartet hatte.
    „Heavens!“ rief Emery aus. „Welch eine Ähnlichkeit!“
    „Uff!“ meinte Winnetou, ohne aber noch ein Wort hinzuzufügen.
    „Maschallah, Gottes Wunder!“ ließ sich der Herr der Heerscharen vernehmen. „Das ist ja der Mann, den du von Tunis mitgenommen hast!“
    „Du findest die Ähnlichkeit also groß?“
    „So groß, wie ich sie niemals für möglich gehalten hätte!“
    „Sie ist es ja, welche das Gelingen des Planes dieser Menschen allein möglich machen konnte! Durchsuchen wir zunächst die Kleider sehr genau!“
    Ich hatte schon manchen Toten gesehen; dieser aber machte einen ganz besonderen Eindruck auf mich, und nicht etwa allein infolge der Umstände, die ihm das Leben gekostet hatten, sondern auch wegen des Ausdruckes, den sein Gesicht zeigte. Es lächelte so friedlich, ich möchte sagen, so selig, als ob er schlafe und ein glücklicher Traum durch seine Seele gehe. Er sah so wenig wie ein Toter aus, daß ich mich wirklich erst mit den Händen überzeugen mußte, um zu glauben, daß er nicht mehr lebe.
    In seinen Kleidern und Taschen fand sich nicht der geringste Gegenstand. Aber bei der Untersuchung derselben fiel mir auf, daß seine linke Hand verbunden war.
    „Was ist das?“ fragte ich den Scheik. „Weißt du vielleicht, weshalb er den Verband angelegt hat?“
    „Natürlich weiß ich es. Er ist verwundet worden von einer Kugel. Als wir eure Reiter umzingelten, geschah dies so schnell und vollständig, und der Kolarasi dachte so wenig an eine Verteidigung, daß von unserer Seite nur ein einziger Schuß gefallen ist. Und die Kugel hat den Fremden getroffen, der gar nicht unser Feind war, sondern nur hierher gelockt worden ist. Sie hat ihm das vordere Glied des Daumens halb weggerissen, so daß es vollends mit dem Messer entfernt werden mußte.“
    „Ah? Das muß ich sehen.“
    Ich wickelte die Binde, welche aus dem Stück eines Kopftuches bestand, ab und überzeugte mich, daß allerdings die Spitze des Daumens fehlte. Da trat

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