38 - Satan und Ischariot II
ist mein Sohn.“
„Euer Sohn? Ah! Das ist doch sonderbar! Habt Ihr ihn bei den Uled Ayars nicht als Euern Freund ausgegeben?“
„Ist ein Sohn kein Freund? Mußten die Wilden alles wissen?“
„Hm! Es kommt allerdings ganz auf Euch an, wie Ihr Euern Sohn nennen wollt. Aber er ist plötzlich fort. Wo steckt er jetzt?“
„Versteckt Euch nicht! Ihr wißt es doch, daß er gestorben ist. Die Beduinen werden es Euch gesagt haben.“
„Wie aber ist Euer Sohn denn auf den unglücklichen Gedanken gekommen, sich das Leben zu nehmen?“
„Melancholie, Lebensüberdruß!“
„Und dieses Selbstmordes wegen kommt Eurer Sohn von Amerika herüber nach Tunis? Er hat Euch den Gefallen tun wollen, dabei zu sein? Da scheint es, er hat eine ungeheuer zärtliche Liebe zu Euch gehegt!“
„Spottet nur! Kann ich dafür, daß solche Melancholiker auf so dumme Gedanken kommen!“
„Ihr scheint Euch aber nicht viel daraus zu machen; wenigstens ist Euch keine Betrübnis anzusehen. Aber dennoch nehme ich Anteil an diesem traurigen Fall. Ich hörte, daß er sich in Eurer Gegenwart erschossen hat?“
„Ja, mit seinem Revolver.“
„Nicht mit dem Eurigen?“
„Laßt die dummen Witze! Ich habe keinen. Ein tunesischer Kolarasi führt keine Revolver.“
„Aber wie konnte Eurer Sohn mit einem Revolver umgehen? Er war doch verwundet und konnte infolgedessen die Hand nicht brauchen!“
„Da Ihr so klug seid und alles wißt, werdet Ihr doch wohl auch wissen, daß nur seine linke Hand verletzt war.“
„Ach so! Hoffentlich habt Ihr den Toten beerbt?“
Wieder sah er mich forschend an, um zu erraten, wo hinaus ich wolle, und als ich die Frage wiederholt hatte, antwortete er:
„Selbstverständlich, wenn Ihr nämlich meint, daß ich alles, was mein Sohn bei sich trug, zu mir genommen habe.“
„Das freut mich ungemein, denn ich möchte den Nachlaß gern einmal sehen. Da Ihr verhindert seid, in die Taschen zu greifen, werde ich Euch der Mühe entheben, indem ich es an Eurer Stelle tu.“
„Tut es!“
Diese Worte waren in zornigem Ton gesprochen, und doch klang auch, wie mir schien, ein gut Teil Hohn und Schadenfreude heraus. Ich leerte seine Taschen und untersuchte seinen Anzug auf das genaueste. Es konnte mir nichts verborgen bleiben, und doch fand ich nur Gegenstände, welche, wie sich herausstellte, ihm gehörten; es war nichts dabei, was das Eigentum Small Hunters gewesen war.
„Was macht Ihr denn für ein Gesicht, wertester Sir?“ lachte er mich aus. „Könntet Ihr Euch jetzt im Spiegel sehen, so würdet Ihr darauf schwören, der geistreichste Mensch der Erde zu sein. Und ich Esel habe Euch stets für den größten Dummkopf gehalten. Ihr seht, wie man sich irren kann!“
Er hatte mir die Enttäuschung, welche ich fühlte, angesehen; ich nahm mich zusammen und sagte in einem Ton, welchem er meinen Mißmut nicht anhören konnte:
„Das ist also alles, was Ihr besitzt und was Euer Sohn besessen hat?“
„Ja“, nickte er mit freundlichem Grinsen.
„So bedaure ich Euch und ihn! Ein tunesischer Kolarasi sollte doch kein so armer Teufel sein, und Euer Sohn scheint sich auch nicht viel erspart zu haben.“
„Erspart? Wo? Bei wem?“
„Bei Small Hunter.“
„All devils!“ fuhr er auf. „Small Hunter! Was wißt Ihr von Small Hunter?“
„Das er ein angenehmer junger Master ist, der sich das Vergnügen macht, den Orient kennenzulernen.“
„Den Orient?“
„Ja. Und zwar reist er nicht allein, sondern hat einen Begleiter bei sich, welcher ein ebenso interessanter junger Mann ist. Wenn ich mich nicht irre, wird er Jonathan Melton genannt.“
„Ich verstehe nicht!“
„Es geht mir selbst fast so, daß ich mich nicht verstehe. Ich habe gemeint, daß die beiden, nämlich Small Hunter und Jonathan Melton, sich in Ägypten befinden, und nun erfahre ich hier zu meinem Erstaunen, daß der letztere hier gewesen ist und sich vor Euern Augen erschossen hat!“
Er musterte mich zum drittenmal mit einem seiner langen Blicke. Es schien ihm jetzt ein Licht aufzugehen, daß ich nicht zufällig hier sei, sondern mehr über seine Pläne wisse, als ihm lieb sein konnte.
„Könnt Ihr mir vielleicht eine Erklärung geben?“ fragte ich.
„Denkt gefälligst selber nach!“ stieß er hervor.
„Meint Ihr? Nun, ich will einmal Euern Rat befolgen. Indem ich so tu und also nachdenke, komme ich auf die Euch jedenfalls sonderbar erscheinende Idee, daß Ihr Euch in der Person Eures Sohnes geirrt habt.“
„Ein Vater soll
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