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38 - Satan und Ischariot II

38 - Satan und Ischariot II

Titel: 38 - Satan und Ischariot II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Winnetou näher heran, besah sich die Wunde und sagte:
    „Mein Bruder mag nun das Herz entblößen!“
    Ich tat es. Ja, gerade da, wo das Herz lag, war die Revolverkugel eingedrungen; sie hatte schnelle und auch saubere Arbeit gemacht, denn die Wunde und ihre Umgebung war so rein, als ob sie abgewaschen worden wäre. Auch an der Kleidung war kein Blutfleck zu sehen.
    Winnetou legte den Finger auf die Stelle, wo die Kugel eingedrungen war, drückte einigemal darauf und meinte dann:
    „Wird mir mein Bruder Scharlih erlauben, die Kugel und ihren Weg zu suchen?“
    „Natürlich! Komm her!“
    Ich machte ihm an der Leiche Platz; er zog sein Messer und begann die traurige Arbeit, vor welcher ich mich zwar gescheut, die ich aber doch auch vorgenommen hätte. Nämlich ich wußte, was er dachte; ich hatte denselben Gedanken wie er. Es sollte Selbstmord vorliegen; dieser hätte nur mit der Rechten vorgenommen werden können, da es dem jetzt Toten unmöglich gewesen wäre, mit der verletzten und verbundenen linken Hand zu schießen. Es kam also darauf an, welcher Richtung die Kugel im Körper gefolgt war, woraus sich dann schließen ließ, ob ein Schuß mit der rechten Hand als Tatsache angenommen werden könne.
    Winnetou war ein erfahrener und außerordentlich geschickter Chirurg. Er operierte mit seinem langen, starken und scheinbar ungefügen Bowiemesser so zart, so vorsichtig, wie ein studierter Arzt es mit den feinsten Instrumenten nicht besser hätte machen können. Das ging freilich langsam, erst nach einer halben Stunden kannten wir den Weg, den die Kugel eingeschlagen hatte; sie saß hinten an der letzten rechten wahren Rippe. Der etwas abwärts gehende Schuß konnte also unmöglich mit der rechten Hand abgegeben worden sein. Der Apache richtete sich auf, hielt uns seine Hand mit der Kugel entgegen und sagte nur das eine Wort:
    „Mord!“
    „Well!“ stimmte Emery bei. „Hier liegt kein Selbstmord vor. Eine solche Richtung nimmt die Kugel nur, wenn mit der linken Hand geschossen wird, und mit dieser hat Small Hunter unmöglich schießen können.“
    „Also ist Melton der Mörder!“ fügte ich hinzu. „Das habe ich sogleich gedacht, und ihr seid wohl alle derselben Meinung gewesen. Es ist eine traurige Arbeit, der wir uns hier zu unterziehen haben. Es schaudert mich; aber wir dürfen uns ihr nicht entziehen. Es muß unbedingt festgestellt werden, wer der Tote ist. Ziehen wir ihm die Schuhe aus; wir müssen die Zehen sehen!“
    Dies geschah. Ja, er hatte an jedem Fuß sechs, anstatt einer kleinen deren zwei, die beide ganz richtig ausgebildet waren, nur daß der zweiten der Nagel fehlte. Sonst fanden wir am ganzen Körper nichts, kein Mal, kein sonstiges Zeichen, welches zur Feststellung der Persönlichkeit hätte dienen können.
    Damit hatten wir unserer Pflicht nach ihrer, sozusagen – kriminellen Seite hin genügt; es galt nun, den Toten zu begraben, was mit größerer Sorgfalt geschah, als Melton es getan hatte. Wir gaben den aufgeschichteten Steinen die Gestalt eines Kreuzes und beteten dann leise für das ewige Heil des Toten, der so ohne alle Vorbereitung aus dem Leben geschieden war.
    Dann aber drang der Scheik sofort darauf, daß wir uns reinigen mußten. Es geschah dies in der Weise, daß wir uns Hände und Gesicht mit Sand wuschen, wobei er mit leiser Stimme einige kurze Gebete murmelte. Dann sagte er:
    „Nun seid ihr wieder rein, und niemand braucht sich zu scheuen, euch zu berühren. Kehren wir jetzt nach dem Lager zurück!“
    „Warte noch!“ bat ich. „Der Ort und das Grab liegen auf dem Gebiet, welches den Uled Ayars gehört, deren oberster Scheik du bist. Kannst du uns versprechen, daß die Stätte von euch geachtet und nicht beschädigt wird?“
    „Ich schwöre es euch bei Allah und dem Propheten zu! Doch warum bist du so besorgt um das Grab eines Mannes, der für dich ein Fremder gewesen ist?“
    „Weil es möglich ist, daß es später noch einmal geöffnet werden muß. Ihr vergegenwärtigt euch doch alles, was ihr hier gesehen habt?“
    „Ja.“
    „Wir müssen eine Schrift darüber aufsetzen, welche drüben in Amerika gerichtliche Geltung hat. Du als Scheik des Stammes, welchem der Ort gehört, mußt sie unterschreiben, wir als Zeugen auch, und wenn der Herr der Heerscharen seinen Namen daruntersetzt, so ist alles geschehen, was unter den hiesigen und gegenwärtigen Verhältnissen geschehen kann. Für jetzt aber muß ich dich, Mubir Ben Safa, bitten, mir eine wichtige Frage zu

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