Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
38 - Satan und Ischariot II

38 - Satan und Ischariot II

Titel: 38 - Satan und Ischariot II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
hätte, und auch sein jetziges Benehmen machte einen guten Eindruck auf mich. Er hatte ein ungemein treues und redliches Auge. Indem er den Blick fast unausgesetzt auf mich gerichtet hielt, überlegte er wohl einige Minuten lang; dann antwortete er:
    „Es ist mir befohlen worden, Old Shatterhands Feind zu sein, und diesem Befehl muß ich gehorchen; aber er hat mich und die weiße Blume vom Tod errettet; darum drängt es mich, ihm meine Freundschaft zu schenken. Ich kann nicht tun, wonach mein Herz begehrt, und doch auch das nicht, was mir befohlen ist; ich bin nicht Old Shatterhands Freund und auch nicht sein Feind. Er mag mit mir tun, was ihm beliebt.“
    „Gut! Mein Bruder hat da sehr verständig gesprochen. Wird er sich aber auch in das fügen, was ich über ihn bestimme?“
    „Ja. Der Tod war mir hier gewiß; nimm mir das Leben, und ich werde mich nicht wehren!“
    „Dein Leben begehre ich nicht, wohl aber deine Freiheit, wenigstens für einige Zeit. Willst du dich als meinen Gefangenen betrachten?“
    „Ja.“
    „Muß ich dich da wieder fesseln, um deiner sicher zu sein?“
    „Du magst mich binden oder nicht, ich bleibe bei dir, bis du mir sagst, daß ich wieder frei bin. Weiter aber darfst du nichts von mir verlangen. Ich kann dir nicht behilflich sein und werde dir keine Auskunft erteilen.“
    „Gut, so sind wir einig. Du bist mein Gefangener und gehorchst allen meinen Anweisungen. Zu dem, was ich vorhabe, bedarf ich deiner Hilfe nicht.“
    Ich band nun auch der Jüdin die Hände vom Rücken los und ging an die Aufsuchung der anderen Eingesperrten. Der Raum, in welchem Judith gesteckt hatte, war klein. Man hatte da einen Gang begonnen, ihn aber wieder verlassen, da man nach dieser Richtung nichts gefunden hatte. Die anderen Gefangenen waren nur hinter der zweiten Tür zu suchen. Als ich dieselbe geöffnet hatte, befanden wir uns in einer Art ausgehauener Kammer, aus welcher drei Gänge nach drei verschiedenen Richtungen führten. Hier herrschte eine schlimme Luft. Es roch nach Schwefel; man atmete schwer. Zwei von den Gängen waren unverschlossen. Vor dem dritten befand sich eine Tür mit zwei Riegeln. In derselben war eine Klappe angebracht, wie man sie an Gefängnistüren findet. Ich öffnete sie, um hindurchzublicken, zog aber die Nase sehr schnell zurück, denn es drang mir ein Dunst entgegen, der kaum auszuhalten war. Als ich das Licht an die Öffnung hielt, schien es verlöschen zu wollen.
    Noch fast schlimmer wurde es, als ich die beiden Riegel entfernte und dann die ganze Tür öffnete. Eine dicke Luft drang heraus und das, was man roch, war geradezu unbeschreiblich. Die Luft, welche früher im Zwischendeck berüchtigter Auswandererschiffe zu herrschen pflegte, war das reine Ozon und Parfüm dagegen. Die Tür war, dem Gang angemessen, den sie verschlossen hatte, viel niedriger als die andere. Um sich in demselben zu bewegen, mußte man sich bücken, wie ich sah, und doch beherbergte er so viele Menschen! Sie lagen gleich vorn, hinter der Tür, Männer, Frauen und Kinder, alle bunt durcheinander. Als der Schein unsers Lichtes auf sie fiel, erhoben sie sich, und es ertönte Kettengerassel, da die Hand- und Fußschellen durch Ketten verbunden waren. Die Kinder begannen vor Furcht zu weinen; die Frauen riefen nach Brot; die Männer fluchten und schrieen mich zornig an und drängten sich herbei, um mich zurückzuschieben und aus ihrem engen Gewahrsam zu entkommen. Ich wurde gepackt; man erhob die Fäuste mit den Schellen und Ketten gegen mich; es war ein Augenblick der größten Aufregung. Aber es bedurfte nur einiger laut gerufener Worte von mir, so verwandelte sich der mir Gefahr drohende Grimm in das Gegenteil. Man jubelte; ich wurde trotz der Ketten umarmt. Jeder wollte mir die Hand drücken; einige küßten mich sogar, und viele weinten vor Freude. Es dauerte lange, ehe sie sich soweit beruhigt hatten, daß ich auf meine Erkundigungen Antworten bekam.
    Der Häuptling hatte von fern zugeschaut. Als ich nicht mehr so eng umdrängt wurde, benützte er dies, um zu mir zu treten und mir zu sagen:
    „Ich habe gesagt, daß Old Shatterhand keine Hilfe von mir zu erwarten habe; eins aber will ich ihm doch sagen: Dort in der Ritze der Mauer steckt der Schlüssel, mit welchem die Ketten geöffnet werden können.“
    Obwohl ein halbwilder Mensch, konnte er dem Anblick der Elenden nicht widerstehen; sein gutes Herz trieb ihn, mir die Mitteilung zu machen. Ich hätte den Schlüssel wohl auch ohnedies

Weitere Kostenlose Bücher