38 - Satan und Ischariot II
es mußte sich also unten befinden, weshalb, darüber brauchte ich mir den Kopf nicht zu zerbrechen. Die Leiter ragte mit einigen Sprossen aus dem Mundloch hervor. Ich stieg hinein, und der Mimbrenjo folgte mir.
Das Loch war viel weiter als unten in der Tiefe. Es konnten hier auch größere Gegenstände heruntergeschafft werden. Als die Leiter zu Ende ging, befanden wir uns in einer viereckigen Erweiterung des Schachtes. Hier stand der Göpel über dem weiter abwärts führenden Loch. Er war durch ein Schwungrad in Bewegung zu setzen, und eine Welle von riesigem Durchmesser nahm die Kette auf. Der Förderkasten hing noch oben. Drei Wände des Raumes waren mit allerlei hier brauchbaren Gegenständen behangen; in der vierten befand sich eine breite Öffnung; das war die Mündung des Ganges, den wir suchten. Wir horchten hinein; es war alles still in demselben; also stiegen wir ein und gingen mit leisen Schritten vorwärts.
Ich deckte die Laterne zu und ließ nur von Zeit zu Zeit einen Lichtstrahl auf die Strecke vor uns fallen. Der Gang war lang; er schien kein Ende nehmen zu wollen. Endlich sahen wir rechts eine Tür und links eine zweite; beide waren mit Matten verhangen. Man schien zu schlafen; aber darin hatte ich mich geirrt, denn als wir einige Schritte weitergegangen waren, hörte ich sprechen. Vor uns befanden sich zwei nahe aneinander liegende Türen; die Stimmen ertönten hinter der zur linken Hand, also aus Meltons Wohnung. Wir traten unhörbar heran, und ich zog die Decke, welche da hing, ein klein wenig zurück. Drin brannte eine Kerze, welche mir erlaubte, den ganzen Raum zu überblicken. Er war ziemlich groß. Ein aus Decken bestehendes Lager befand sich links in der Ecke. In der Mitte stand ein roh gearbeiteter Tisch, auf welchem zwei Revolver und ein Messer lagen; außerdem befanden sich da einige aus Aststücken zusammengenagelte Stühle oder vielmehr Schemel. An der Wand rechts hingen zwei Gewehre, daneben eine ziemlich große Ledertasche, welche sehr wahrscheinlich Patronen enthielt. Melton saß hinter dem Tisch auf einem Schemel und sprach mit einer Indianerin, welche das Urbild menschlicher Häßlichkeit war; sie stand zwischen der Tür und dem Tisch. Eben als mein erster Blick in die Stube fiel, sagte er, indem er sich des schon oft erwähnten Sprachgemisches bediente:
„Sie tut euch beiden wohl leid, da du dich so sehr danach erkundigst, was ich mit ihr machen werde?“
„Leid tun?“ antwortete sie mit schnarrender Stimme. „Wir freuen uns! Sie konnte uns nicht leiden und wir sie auch nicht.“
Jedenfalls war von Judith die Rede.
„So wird es euch noch mehr freuen, wenn ich dir sage, daß sie nie wieder heraufkommen wird. Ihr seid also wieder allein und Herrinnen über euch. Dient ihr mir treu, so werde ich euch gut belohnen.“
„Wir sind treu, Señor, denn Sie haben uns soviel Schönes versprochen und werden Wort halten. Wenn Sie sich nur der Feinde, welche Sie erwarten, erwehren können!“
„Oh, vor denen ist mir gar nicht bang; sie sind rein toll, daß sie sich nach Almadén wagen. Sie werden es übrigens gar nicht erreichen, denn wir gehen ihnen, sobald wir durch die Kundschafter benachrichtigt worden sind, entgegen und schlagen sie bis auf den letzten Mann nieder.“
„Aber wir haben gehört, daß sich der große Winnetou und ein sehr verwegener weißer Krieger bei ihnen befinden. Diesen Krieger kenne ich nicht; aber Winnetou läßt sich nicht so leicht besiegen. Seine List geht über alles. Wenn er unsere Leute nun fortlockt und unterdessen nach Almadén kommt, welches dann unbeschützt liegt?“
„Das gelingt ihm nicht. Und sollte das Unmögliche zur Möglichkeit werden, so wißt ihr, was ihr zu tun habt. In den Schacht darf kein Fremder kommen; niemand darf die Gefangenen sehen; das Messer liegt für solche Fälle am Göpel ja stets bereit. Dazu wird es aber niemals kommen, denn selbst wenn wir vor Almadén besiegt würden, bildet unser Felsen eine Festung, welche niemand ohne unseren Willen besteigen kann. Und ganz besonders ist dafür gesorgt, daß weder Winnetou noch der Weiße, von dem du redest, einen Fuß heraufsetzt.“
Ich wollte nicht länger zuhören, weil uns die Zeit so kurz zugemessen war; darum schob ich den Vorhang jetzt beiseite, trat ein und sagte:
„Da irrt Ihr Euch sehr, Master Melton, denn wie Ihr seht, sind wir schon hier!“
Zu gleicher Zeit bemächtigte ich mich der Revolver und des Messers und stellte mich so, daß er an mir vorüber
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