38 - Satan und Ischariot II
in der ersten Ecke links.“
„Wer bewegt den Göpel, wenn der Förderkästen auf- und nieder steigen soll?“
„Die Indianer, welche im Förderhaus wachen. Das sind – – – horcht!“
Sie wendete sich, indem sie sich unterbrach, in die Richtung des Schachtes. Dort klirrte die Kette, an welcher der Kasten hing; er bewegte sich; wir sahen, daß er aufgezogen wurde.
„Man ist oben noch wach“, sagte ich. „Warum will man den Kasten oben habe? Ob jemand herunter will?“
„Jedenfalls“, antwortete sie. „Sie werden jetzt erfahren, daß Sie vorhin unrecht hatten, denn der Häuptling wird jetzt kommen.“
„Das glauben Sie ja nicht! Wenn jemand kommt, so wird es entweder Melton oder der alte Weller sein.“
„Weller ist heute gar nicht da.“
„Wo befindet er sich?“
„Er ist mit mehreren Indianern fort, um Sie zu beobachten und es Melton zu sagen, wenn Sie kommen. Er scheint Sie nicht gesehen zu haben, sonst wäre er wieder zurück.“
„So ist er es also nicht, den wir jetzt hier unten zu erwarten haben. Melton wird es sein.“
„So haben Sie die beste Gelegenheit, ihn zu ergreifen!“
„Ob ich das tue, kommt auf die Umstände an. Man muß vorsichtig sein. Weller kann auch zurückgekehrt sein und mitkommen. Wir werden also abzuwarten haben, was geschieht. Darum muß ich Sie bitten, sich einstweilen wieder einriegeln zu lassen.“
„Einriegeln?“ fragte sie erschrocken. „Das werde ich nicht. Ich bin tausendfroh, daß ich heraus bin.“
„Ich gebe Ihnen mein Wort, daß ich Sie sicher wieder herauslasse. Ich will wissen, wer da kommt und warum er kommt; er muß darum hier alles in Ordnung finden und darf nicht vermuten, daß jemand bei Ihnen gewesen ist.“
Sie wollte nicht, fügte sich aber endlich doch, wenn auch mit großem Widerstreben. Ich verriegelte hinter ihr die Tür, und dann kroch ich mit dem Mimbrenjo hinter einen Haufen von Hölzern, welche dort, wo der alte, verlassene Gang begann, aufgeschichtet waren. Natürlich hatten wir unser Licht ausgelöscht.
Ich hätte keine Minute länger mit der sich weigernden Jüdin verhandeln dürfen, denn wir hatten uns kaum versteckt, so kam von oben ein Geräusch, aus welchem wir entnahmen, daß der Kasten wieder nach unten unterwegs sei. Das Geräusch näherte sich; ein Lichtschein fiel von oben; der Kasten wurde sichtbar und erreichte den Boden. Melton stand darin; er hatte eine Laterne im Gürtel hängen. Er stieg aus, bückte sich in den Kasten zurück und zog aus demselben einen Gegenstand, in welchem ich, obgleich wir ziemlich entfernt steckten, einen gefesselten Menschen erkannte. Hier unten verstärkte sich der Schall an den engen Mauern; darum hörte ich ganz deutlich jedes Wort, als Melton zu dem Gefesselten in höhnischem Ton sagte:
„Du hattest solche Sehnsucht nach deiner weißen Blume. Darum habe ich dich hierher gebracht, um sie dir zu zeigen. Paß auf!“
Er trat zu der Tür, hinter welcher die Jüdin steckte, öffnete dieselbe und rief hinein:
„Kommen Sie heraus, Fräulein; haben Sie die Güte! Es steht Ihnen eine freudige Überraschung bevor.“
Sie kam heraus. Er führte sie zu dem auf dem Boden liegenden Indianer und fragte:
„Kennen Sie diesen? Hoffentlich erinnern Sie sich noch, wer er ist!“
„Die ‚Listige Schlange‘!“ rief sie betroffen aus. „Sie haben ihn überwältigt!“
„Ja, das habe ich! Sie sehen da, was für ein Held Ihr neuester Liebhaber ist. Er kam, um mich zur Rechenschaft zu ziehen und Sie zu befreien, und befindet sich nun selbst hier unten. Er wird die Sonne niemals zu sehen bekommen. Sie haben mir zu viel von ihm erzählt, als daß ich ihm das Leben schenken könnte.“
„Sie wollen ihn ermorden?“ fragte sie schaudernd.
„Ermorden! Welch ein Ausdruck! Muß man es denn geradezu einen Mord nennen, wenn ich ihn ein wenig unter die Erde grabe und ihm eine so hübsche Decke gebe, daß er rasch einschläft? Wenn er dann nicht wieder aufwacht, so ist das seine Sache.“
„Also lebendig begraben!“
„Ja, wenn es Ihnen Vergnügen macht, es so und nicht anders zu nennen.“
„Unmensch, der Sie sind!“
„Ereifern Sie sich nicht! Ich werde Ihnen gleich beweisen, daß ich kein Unmensch, sondern ein Mensch, und zwar ein sehr gutherziger, bin. Sie lieben den roten Gentleman, und er ist Ihnen zugetan. Sie sollen, ehe er stirbt, zwei oder drei Stunden beisammen sein. Geben Sie Ihre Hände her, damit ich sie Ihnen auf den Rücken binde, sonst könnten Sie meine Güte
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