38 - Satan und Ischariot II
mich hier unten lebendig begraben.“
„Glaubt mein roter Bruder, daß er dies wirklich getan hätte?“
„Er hätte es getan, denn nur mein Tod hätte ihm Sicherheit gegeben.“
„Was wäre aus dem weißen Mädchen geworden, welche die ‚Listige Schlange‘ zur Squaw begehrt?“
„Sie hätte hier unten sterben müssen, wie die anderen Bleichgesichter, von denen keines wieder das Licht des Tages erblicken wird.“
„Darin irrt mein roter Bruder, denn sie alle werden das Licht schon des nächsten Morgens sehen. Ich werde sie aus dem Schacht führen.“
„Das wird Melton nicht zugeben!“
„Er wird es gar nicht zugeben können, weil ich ihn nicht um seine Erlaubnis frage. Ich bin gekommen, alle Gefangenen zu befreien, so wie ich dich jetzt befreie.“
„Noch bin ich nicht frei, denn wie komm ich aus dem Schacht?“
„Das fragst du? Du brauchtest ja nur zu warten, bis Melton wieder herabkommt; es würde, da er nicht darauf vorbereitet ist, sehr leicht für dich sein, ihn zu überraschen und zu überwältigen. Aber das ist nicht nötig. Ich werde die ‚Listige Schlange‘ und die weiße Tochter auf einem ihnen unbekannten Weg aus dem Schacht führen; dann kann mein Bruder sie zu seiner Squaw machen und ihr einen Palast und ein Schloß bauen.“
Meine Person, meine Anwesenheit und jedes meiner Worte war für ihn ein Rätsel; es machte mir Spaß, den Ausdruck zu sehen, mit welchem sein Blick unverwandt auf mich gerichtet war.
„Mein weißer Bruder kennt einen mir unbekannten Weg aus dem Schacht?“ fragte er. „Er weiß auch, daß ich die weiße Blume liebe, und was ich ihr versprochen habe? Wird er mir wohl sagen, wer er ist?“
„Mein Name heißt in der Sprache der Yuma Tave-schala.“
„Tave-schala, Old Shatterhand!“ fuhr er auf, indem er zwei Schritte zurückwich und mich wie ein Gespenst anstarrte. „Old Shatterhand hier, mitten unter uns, in unserem Schacht!“
Er traute seinen Ohren nicht.
„Wenn du es nicht glaubst, so frage die weiße Tochter. Ich habe sie und ihre Leute vom großen Wasser aus bis in die Berge begleitet, um zu erfahren, was Melton mit ihnen beabsichtigte, und sie aus seinen Händen zu befreien.“
„Old – – – Shatter – – – hand, der Feind unsers Stammes! Mitten in unserem Lager, mitten in Almadén!“
„Du irrst; ich bin nicht der Feind eures Stammes; ich bin stets ein Freund aller roten Stämme gewesen.“
„Aber du hast den ‚Kleinen Mund‘, den Sohn unsers vornehmsten Häuptlings, getötet!“
„Er zwang mich dazu, weil er den jungen Mimbrenjokrieger, der vor dir steht, seinen Bruder und seine Schwester töten wollte.“
„Der ‚Große Mund‘ hat dir den Tod geschworen!“
„Das weiß ich; aber ist das ein Grund für dich, auch mein Todfeind zu sein?“
„Ich muß dem ‚Großen Mund' gehorchen!“
„Kein roter Krieger muß, und ein Häuptling, wie du bist, braucht erst recht nicht zu müssen. Der ‚Große Mund‘ mag die Sache, welche er gegen mich hat, selbst mit mir ausfechten; er braucht keine Helfer dazu. Ich habe dich befreit und dadurch bewiesen, daß ich nicht ein Feind der Yumas bin. Wäre ich das, so hätte ich alle eure Krieger getötet, die ich von der Hazienda del Arroyo bis hierher getroffen habe. Es sind vierzig Mann, die ich alle gefangengenommen habe.“
„Alle – gefangen – genommen!“ wiederholte er erstaunt. „Wo befinden sie sich?“
„Bei unserer Mimbrenjoschar, mit welcher ich gekommen bin.“
„Hast du die Mimbrenjos hier bei dir?“
„Nein. Sie warten unter dem Befehl Winnetous, des großen Apachen, auf meine Rückkehr. Sie stehen an einem Ort, wo ihr sie nicht finden könnt. Ich bin mit dem jungen Krieger ganz allein ausgeritten, um Almadén zu erkundschaften, und werde alle Bleichgesichter, welche sich hier unten befinden, befreien, ohne daß ich dazu der Hilfe noch eines anderen Menschen bedarf.“
Der Ausdruck eines unbeschreiblichen Erstaunens war noch immer nicht aus seinem Gesicht gewichen. Er fand keine Worte zu dem, was ich sagte; ich fuhr fort:
„Es würde uns nicht schwer werden, die Yumas, welche Almadén bewachen, zu besiegen; aber ich wünsche nicht, ihr Blut zu vergießen. Die ‚Listige Schlange‘ mag mir sagen, ob sie mein Feind bleiben oder mein Freund werden will!“
Der Indianer war mir schon gestern, als ich ihn mit der Jüdin reden hörte, als ein ehrlicher Mann erschienen, darum verhielt ich mich heut gegen ihn ganz anders, als ich mich sonst verhalten
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